Donnerstag, November 16, 2006

Wenn der Richter den Anwalt verzeigt

Einem online offenbar nicht verfügbaren Artikel der gestrigen Ausgabe des Tages-Anzeigers ist zu entnehmen, dass gegen den Verteidiger von "Eldar S." während der Hauptverhandlung ein Verfahren wegen Verletzung der Berufspflichten eingeleitet worden war. Verzeigt wurde der Verteidiger vom zuständigen Einzelrichter, nachdem sich ein Verteidiger der angeklagten Polizisten beim Einzelrichter
über einen Artikel im «Tages-Anzeiger» vom 14. Januar 2006 beschwert [hatte]; darin werde aus geheimen Untersuchungsakten zitiert. Der TA veröffentlichte damals Aussagen eines Notfallpsychiaters, der Eldar S. nach seiner Verhaftung auf der Polizeiwache Urania zu betreuen hatte. Gemäss dessen ausführlichem Protokoll - es ist Bestandteil der Untersuchungsakten - soll der Arzt auf der Wache mit Belanglosigkeiten aufgehalten worden sein, was die Überführung des verletzten Eldar S. in ein Spital um Stunden verzögert habe.
Der verzeigte Anwalt ist nun kurz vor der obergerichtlichen Hauptverhandlung durch die Aufsichtskommission über die Anwälte entlastet worden:
Erstens sei gar nicht erwiesen, dass der Anwalt Kopien von Akten an die Presse oder andere Dritte weitergegeben habe. Zweitens bestehe für Rechtsanwälte auch in Strafverfahren kein absolutes Verbot, Kopien an Dritte weiterzugeben. Und drittens sei es grundsätzlich nicht verboten, Kopien an den eigenen Klienten zu überreichen, denn als Angeklagter habe dieser sowieso ein Akteneinsichtsrecht.
All dies ist ja nun nicht neu. Man fragt sich daher umso mehr, was den Richter veranlasst hat, während einer Hauptverhandlung die Anzeige gegen einen Anwalt einer Partei zu erstatten. Ich finde keine befriedigende Antwort.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Der Richter war erfolgreich beeinflusst und es gehört zu den Instrumentarien, bei unangenehmen Rechtsvertretern zu versuchen, diesen einen Maulkorb zu verpassen.