Freitag, November 24, 2006

Richter als Drückeberger?

Bei den im Internet publizierten Entscheiden des Bundesgerichts fällt auf, dass regelmässig Verletzungen der Garantie des verfassungsmässigen Richters (Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) gerügt werden, auffällig oft in Laienbeschwerden (Anwälte lassen sich für sowas halt nicht so leicht finden). Gutgeheissen werden solche Beschwerde kaum je. Dies steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Tatsache, dass die Sensibilität der Rechtsunterworfenen in diesem Punkt sehr hoch ist. Meines Erachtens stellt die Justiz in diesem Bereich allzu leichtfertig Vertrauen aufs Spiel. Das kann vielleicht anhand eines neu ins Netz gestellten Urteil des Bundesgerichts gezeigt werden, obwohl es sicher bessere Beispiele gibt.

In 1P.583/2006 vom 13.11.2006 hatte sich das Bundesgericht mit einem Fall zu befassen, in dem ein Beschwerdeführer ein umfassendes Ablehnungsbegehren gegen die Richter des Kantonsgerichts Wallis gestellt hatte. Zwei Richter kamen in ihren Stellungnahmen zum Schluss, sie seien vorbefasst und das gegen sie gestellte Ablehnungsbegehren sei berechtigt. Selbst das reichte hingegen nicht, die beiden Richter abzulehnen:
Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss vorbringt, die beiden ordentlichen Mitglieder des Kantonsgerichts hätten selber den Ausschlussgrund gemäss Art. 33 Ziff. 1 lit. b StPO/VS als gegeben erachtet, ist festzuhalten, dass nicht jede Erklärung, mit welcher eine Gerichtsperson den Ausstand erklärt oder eingegen sie gerichtetes Ablehnungsbegehren unterstützt, unbesehen hingenommen werden darf (BGE 116 Ia 28 E. 2c S. 31; 105 Ia 157 E. 6c S. 165 f.). Denn der Anspruch auf den verfassungsmässigen Richter kann auch dadurch verletzt sein, dass sich einzelne Richterinnen und Richter oder gar ein ganzes Gericht vorschnell als befangen erklären und sich damit ihrer richterlichen Aufgabe entziehen (BGE 105 Ia 157 E. 6a S. 163; Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. Auflage, Bern 1999, S. 576). Der Ausstand muss die Ausnahme bleiben, denn sonst besteht die Gefahr, dass die regelhafte Zuständigkeitsordnung für die Gerichte bis zu einem gewissen Grade illusorisch und die Garantie des verfassungsmässigen Richters von dieser Seite ausgehöhlt wird (BGE 105 Ia 157 E. 6a S. 163; vgl. auch BGE 108 Ia 48E. 3 S. 53; E. 2.5).
Die beiden vorbefassten Richter wollten sich also bloss vor ihren Pflichten drücken?

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Da kommt sich ein normaler Bürger schnell vor, wie der Mann vom Lande in Kafka's "Vor dem Gesetz". Es ist nicht ganz leicht zu verstehen, mit welchen Begründungen das Gesetz rechtfertigt wird. Aber vielleicht war es auch in diesem Fall ein Türhüter nur für diesen besonderen Fall.