Donnerstag, Dezember 29, 2005

Adamov wird nach Russland ausgeliefert

Update: der unten zitierte Entscheid 1A.288/2005 ist nun online.

Gemäss Pressemitteilung des Bundesgerichts wird der ehemalige russische Atomminister auf seine Beschwerde hin nach Russland und nicht in die USA ausgeliefert. Das Urteil 1A.288/2005 vom 22. Dezember 2005 ist online noch nicht verfügbar. Die wesentlichen zwei Erwägungen sind aber in der Pressemitteilung enthalten.
  1. Bestimmung des Schwerpunkts bei konkurrierenden Auslieferungsgesuchen: "Nach den anwendbaren völkerrechtlichen Bestimmungen ist bei konkurrierenden Auslieferungsersuchen der Schwerpunkt des Falles zu bestimmen. Dabei sind namentlich die Staatsangehörigkeit des Verfolgten, der Begehungsort der untersuchten Straftaten und die Empfangsdaten der Auslieferungsersuchen mitzuberücksichtigen." Diese Kriterien sprachen gemäss Bundesgericht für Russland.
  2. Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit: "Die von den USA untersuchte ungetreue Amtsführung eines ausländischen Staatsfunktionärs zum Nachteil des ausländischen Fiskus ist nach schweizerischem StGB nicht selbstständig strafbar. Das Bundesgericht liess die Frage der beidseitigen Strafbarkeit (nach schweizerischem und amerikanischem Recht) jedoch offen, da dem bewilligten russischen Ersuchen ohnehin die Priorität zukommt."

Änderung Strafgesetzbuch

Per 1. Januar 2006 tritt Art. 386 StGB in Kraft. Es handelt sich um die einzige Bestimmung aus der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs, für welche der Bundsrat das "vorzeitige" Inkrafttreten verordnet hat. Das Inkrafttreten der restlichen Revisionsbestimmungen ist für 1. Januar 2007 vorgesehen.
Art. 386 - Präventionsmassnahmen
1 Der Bund kann Aufklärungs-, Erziehungs- und weitere Massnahmen ergreifen, die darauf hinzielen, Straftaten zu verhindern und der Kriminalität vorzubeugen.
2 Er kann Projekte unterstützen, die das unter Absatz 1 erwähnte Ziel haben.
3 Er kann sich an Organisationen beteiligen, welche Massnahmen im Sinne von Absatz 1 durchführen, oder derartige Organisationen schaffen und unterstützen.
4 Der Bundesrat regelt Inhalt, Ziele und Art der Präventionsmassnahmen.

Mittwoch, Dezember 28, 2005

Drohnen gegen Kiffer

Auf Anfrage ein (nicht wissenschaftlicher) Quellennachweis zu meinem gestrigen Beitrag: Die Sonntagszeitung vom 12.11.2005 berichtete unter dem Titel "Spionageflieger der Armee für die Euro 08" u.a. folgendes:
Im Frühling des letzten Jahres beobachtete eine Drohnenkamera verdächtige Vorgänge in einem Wald bei Altbüron im Luzerner Hinterland. Die Polizei wurde alarmiert, und zwei Männer wurden beim Cannabiskonsum ertappt und festgenommen.
Weitere Hinweise liefern Google und die Fragestunde im Nationalrat vom 07. Juni 2004 (AB 2004 N 915 f.).

Bundesstrafgericht - neue Entscheide

Ca. 30 neue Entscheide des Bundesstrafgerichts sind online, darunter mindestens zwei recht exotische:
  • In SK.2005.2 vom 19.10.2005 hat ein Gesuchsteller erfolglos um Feststellung der absoluten Nichtigkeit eines Urteils des bisherigen Bundesstrafgerichts ersucht.
  • In BH.2005.44 vom 30.11.2005 trat das Bundesstrafgericht nicht auf ein Erläuterungsgesuch der Bundesanwaltschaft ein. Diese hatte um Erläuterung Urteils BH.2005.30 vom 21.10.2005 ersucht, das ihr eine Parteientschädigung von CHF 1,500.00 zugunsten des obsiegenden Beschwerdeführers auferlegt hatte.

Dienstag, Dezember 27, 2005

Colin Powell zur U.S. Abhöraffäre

Der ehemalige Aussenminister der USA hat sich zur US-Überwachungsaffäre geäussert und die Vorgehensweise der Bush-Administration gerechtfertigt. Er bringt aber eine Frage auf den Punkt, die mich seit den ersten Meldungen über das sog. "Domestic Spy Program" beschäftigt:
My own judgment is that it didn't seem to me, anyway, that it would have been that hard to go get the warrants. And even in the case of an emergency, you go and do it. The law provides for that (New York Times).
Auch Powell scheint die Antwort nicht zu kennen, aber sein Hinweis, dass es wirklich nicht schwer gewesen wäre, die entsprechenden richterlichen Genehmigungen zu erhalten, macht die Sache für Bush ja nicht besser.

Die zweite Frage, die mich beschäftigt: Gibt es sowas in der Schweiz, im Land in dem Drohnen der Armee Kiffer an Waldrändern aufspüren? Ich bin ziemlich sicher, ja. Der eigentliche Unterschied ist doch, dass es hier kein Schwein interessiert. Hier heisst der Grundsatz:
Wer nichts zu verbergen hat, hat ja auch nichts zu befürchten
(s. dazu etwa meine früheren Beiträge hier, hier und hier).

... aus dem Kartellstrafrecht?

Na das das ging ja rasch. Die New York Times berichtet heute über Ermittlungen von Eliot Spitzer (New York State Attorney General) gegen die Musikindustrie wegen illegaler Preiabsprachen. Sehr informativ ist der heutige Beitrag der Print-NZZ, den ich online leider nicht gefunden habe.

Montag, Dezember 26, 2005

IFPI vs. ISP

IFPI Schweiz hat schon wieder ein neues Schlachtfeld gegen Raubkopierer eröffnet. Gemäss heise.de versucht IFPI nun die Zugangsprovider in die Verantwortung zu ziehen:
Die Schweizer Landesgruppe der Musikindustrie sieht die Zugangsanbieter zum Handeln verpflichtet, weil diese gleichzeitig über die Urheberrechtsverletzungen aufgeklärt und somit für die Handlungen von Kunden haften würden. "Wir fordern Sie daher auf, unverzüglich wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um diese rechtswidrigen Zustände zu beenden und die unautorisierte Vervielfältigung und Verbreitung zu stoppen", heißt es in dem heise online vorliegenden Schreiben. Ferner rät der Phonoverband "dringend" an, "zu Beweiszwecken sofort entsprechende Sicherungen" über den Datenverkehr vorzunehmen, der über ins Visier genommene IP-Adressen laufe.
Siehe dazu meine früheren IFPI-Beiträge hier und hier. Weitere werden sicher folgen, vielleicht bald einmal aus dem Kartellstrafrecht?

Verhörung von Guantanamo-Häftlingen

Die Sonntagszeitung (nur für Abonnenten) berichtet über einen Versuch der Bundesanwaltschaft, Häftlinge auf Gunatanamo zu 141 Fotos zu befragen, die Schweizer Beamte während des Terrorismusfinanzierungsverfahrens gegen den Tessiner Bankier Youssef Nada sichergestellt hatten. Das Ersuchen an das FBI soll vom Stv Bundesanwalt Claude Nicati stammen, den NR Josef Lang nun als
untragbar in einer Spitzenfunktion eines Rechtsstaats bezeichnet.
Wahrscheinlich hat Nicati einfach darauf vertraut, dass allfällige Ergebnisse der Befragungen auf Guantanamo in der Schweiz als Beweismittel zugelassen würden. Und ich befürchte, das durfte er auch.

Mit dem Jagdgesetz gegen Skifahrer

Unter der Schlagzeile "Härtere Strafen für Ski-Rowdys" berichtet die Sonntagszeitung über Massnahmen der (privaten) Pistenbetreiber:
Fehlbaren Personen wird nach einer Verwarnung das Ticket entzogen, bei groben Verstössen schalten die Bahnen die Polizei ein. Bereits bestrafte Leute werden auf einer schwarzen Liste registriert.
Der Kanton Bern hat das Jagdgesetz zur Verfolgung von Pistenrowdys entdeckt. Ein Jagdinspektor wird wie folgt zitiert:
In der letzten Saison haben wir aus der Region Adelboden-Silleren 30 Strafanzeigen an die Untersuchungsbehörden weitergeleitet. Sämtliche Personen wurden mit Bussen zwischen 200 und 400 Franken bestraft.
Anwendbar soll offenbar Art. 18 JSG sein. Das JSG kennt übrigens - sicher ist sicher - auch Zwangsmassnahmen (vgl. Art. 26 JSG).

Freitag, Dezember 23, 2005

Genfer Polizisten verwarnt

Die beiden Polizisten, die im November 2005 vor der laufenden Handy-Kamera eines Passanten eine Frau aus Kamerun zu Boden warfen und sie in Handschellen legten, sind laut Tribune de Genève disziplinarisch verwarnt worden wegen unverhältnismässiger Anwendung von Gewalt. Dabei sei das junge Alter der beiden Polizisten und die fehlende Ausbildung im Umgang mit psychisch angeschlagenenen Personen in Betracht gezogen worden. Strafrechtliche Folgen hat ihre brutale Vorgehensweise nicht.

Donnerstag, Dezember 22, 2005

Schweizerische Strafprozessordnung - Kritik aus dem Westen

Aus der Presseberichterstattung zum gestern verabschiedeten Entwurf einer Schweizerischen Strafprozessordnung:

NZZ
Mittelland Zeitung
St. Galler Tablatt
Tribune den Genève
Le Temps

Mittwoch, Dezember 21, 2005

Jahrhundertvorhaben online

Meinen letzten Beitrag kann ich bereits aktualisieren. Folgende pdf-Dokumente sind online:

Schweizerische Strafprozessordnung

Wie gestern angekündigt hat der Bundesrat heute gemäss Medienmitteilung des EJPD zwei Entwürfe zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) und einer Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung (JStPO) verabschiedet. Die beiden Gesetzesentwürfe sind m.W. noch nicht online.

Dienstag, Dezember 20, 2005

Als "Jahrhundertvorhaben"

bezeichnet Bundesrat Blocher die einheitliche Strafprozessordnung, die anstelle von 26 verschiedenen Strafprozessordnungen tritt. Sie soll demnächst vom Bundesrat verabschiedet werden, dem Vernehmen nach morgen Mittwoch (vgl. dazu auch die Medienmitteilung des EJPD vom 19.12.2005).

Serono - Vergleich in den USA

Das U.S. Department of Justice teilt weitere Einzelheiten zum Serono-Vergleich mit (s. dazu meinen früheren Beitrag) . Nach der Pressemitteilung vom 15.12.2005 erkennt sich Serono schuldig und bezahlt als Busse USD 136,900,000.00:
The U.S. subsidiary, SERONO LABORATORIES, INC., of Swiss Corporation SERONO, S.A., pleaded guilty and was sentenced today in federal court on criminal charges in connection with several illegal schemes to promote, market and sell
its drug, Serostim, used to treat AIDs wasting, a condition involving profound involuntary weight loss in AIDS patients.

Montag, Dezember 19, 2005

Unique gebüsst

Laut Pressemitteilung vom 16.12.2005 hat die Wettbewerbskommission über die Flughafen Zürich AG (Unique) eine "Sanktion" von CHF 248,000.00 (Art. 50 KG) verhängt.

Unique war unter Sanktionsdrohung verpflichtet worden, zwei Parking-Dienstleistern weiterhin Flughafeneinrichtungen zu bisherigen oder vergleichbaren Konditionen zu vermieten und die Gewerbe-Bewilligungen zu erteilen. Damit sollten die beiden Unternehmen ihr bisheriges Valet-Parking weiter anbieten können. Die Angebote, welche Unique den beiden Dienstleistern machte, genügten den Anforderungen der Wettbewerbskommission nicht.

Damit kann die gegen Unique wegen allfälligen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung eingeleitete Untersuchung nun weitergeführt werden.

Samstag, Dezember 17, 2005

Wiener Übereinkommen vom 24. April 1963

Ein U.S.-Bundesgericht hatte ich mit der Frage zu befassen, ob eine Verletzung von Art. 36 Ziff. 1 lit. b des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 zur Aufhebung eines Strafurteils führen kann (vgl. dazu den Entscheid No. 04-14669 vom 15.12.2005 des U.S. Court of Appeals for the Eleventh Circuit). Der Appellant hatte sich erfolglos auf ein Urteil des ICJ vom 31.03.2004 (Mexico v. USA, Avena et al.) berufen.

Ich weise auf die Entscheide hin, weil die Schweiz auch Vertragsstaat ist und ich mich frage, ob man sich hierzulande bewusst ist, dass das Übereinkommen Rechte für Untersuchungshäftlinge beinhaltet und die Strafverfolgungsbehörden zur Information über diese Rechte verpflichtet.

Maulkorb für Rechtsanwälte?

Vielleicht ja, aber dann bitte in einem fairen Verfahren. Der EGMR hat mit Urteil vom 15.12.2005 (Requête no 53146/99) eine Beschwerde gegen die Schweiz gutgeheissen. Beschwerdeführer war ein Anwalt, der 1998 in einem Disziplinarverfahren ohne öffentliche Verhandlung zu einer Busse von CHF 500.00 verurteilt worden war. Das Bundesgericht hatte die Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK noch verneint.

BWIS und die Hooligans

Weniger freiheitsliebend als der US Senat ist offenbar unser Parlament mit seinen unsäglichen Hooligan-Beschlüssen. Mehr dazu bei gebsn.

Partiot Act

Der Patriot Act wird voraussichtlich nicht verlängert. Der Senat gewichtete die Freiheitsrechte der Bürger höher als die zur Terrorbekämpfung befristet erlassenen Gesetze. Den Bericht in der NZZ finden sie hier. Mehr über die Vorlage ist hier aus erster Hand abrufbar.

Freitag, Dezember 16, 2005

(nulla) poena sine lege

In einer ganzen Reihe von Entscheidungen hatte sich das Bundesgericht mit LSVA-Widerhandlungen (Art. 20 SVAG) auseinanderzusetzen. Aus BGE 6.S.197/2005 vom 06.12.2005, der zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehen ist:

Setzt ein Straftatbestand die Gefährdung eines bestimmten Rechtsgutes voraus, so ist damit häufig eine konkrete Gefährdung gemeint, d.h. die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit einer Verletzung des geschützten Rechtsgutes. Der Begriff der Gefährdung muss indessen nicht im gesamten Strafrecht einschliesslich des sog. Nebenstrafrechts im Allgemeinen und des Steuerstrafrechts im Besonderen einheitlich in diesem Sinne ausgelegt werden, und eine solche Auslegung ergibt sich auch nicht aus Art. 1 StGB. [...] Die Pflicht der Fahrzeugführerin oder des Fahrzeugführers, alle erforderlichen Angaben betreffend einen mitgeführten Anhänger am Erfassungsgerät zu deklarieren (Art. 17 Abs. 1 SVAV), ist in jedem Fall eine Mitwirkungspflicht, deren Missachtung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 SVAG die Abgabe bzw. die gesetzmässige Veranlagung gefährdet respektive die gesetzmässige Veranlagung im Sinne der romanischen Gesetzestexte ("compromettre", "compromettere") beeinträchtigt (E.2.2.2).

Strafbar ist mit anderen Worten alles, was die gesetzmässige Veranlagung gefährdet, und eben nicht nur, was der Gesetzgeber ausrücklich als strafbares Verhalten definiert. So ist gemäss Bundesgericht eine für unser Rechtssystem zentrale Norm wie Art. 1 StGB, die an Klarheit kaum zu überbieten ist, auszulegen.

Donnerstag, Dezember 15, 2005

Strafverfahren gegen 9-Jähriges Verkehrsopfer

Das Magazin "10 vor 10" berichtet heute über ein Strafverfahren gegen ein Mädchen, das auf einem Fussgängerstreifen von einem Auto erfasst und verletzt wurde. Das Verfahren gegen den Fahrzeuglenker wurde eingestellt. Das damals 7-jährige Mädchen wird sich wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln (Art 90 Ziff. 1 SVG) vor Jugendgericht verantworten müssen. Zum Verhängnis wurde dem Mädchen offenbar die von einem Polizisten durchgeführte Befragung als Opfer. Diese fand kurz nach dem Unfall im Spital statt. Das Video sehen sie hier (RealPlayer).

Kein Wunder, dass die Jugendstrafstatistiken nach oben schnellen. Zum Thema Jugendstrafrecht und "Jugendanwälte" fallen mir zwei Anrufe aus den letzten paar Tagen ein:
  1. Eine Mutter ruft an und erzählt, ihr Sohn sei in ein Jugendstrafverfahren verwickelt und sie gewinne langsam den Eindruck, dass der Jugendanwalt die Interessen des Sohnes gar nicht richtig vertrete.
  2. Ein Jugendanwalt ruft an und will den Verteidiger davon überzeugen, nicht an der Befragung seines 13-jährigen Klienten teilzunehmen, weil dies ein falsches erzieherisches Signal sei.

Absolutes Folterverbot

In ihren Opinions vom 08.12.2005 sprechen sich die Lords of Appeal einstimmig gegen die Verwertung von Erkenntnissen aus, die durch Folter erwirkt wurden.

Unlauterer Wettbewerb?

Bundesräte und Bundeskanzlerin können nach Art 162 Abs. 1 BV "für ihre Äusserungen in den Räten und in deren Organen rechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden."

Gemäss NZZ Online hatten die eidg. Räte über ein Gesuch der bernischen Strafverfolgungsbehörden um Aufhebung der Immunität zu entscheiden:
Bei ihnen war ein Strafantrag eingegangen, mit dem der Verein «Rechtsauskunft Anwaltskollektiv» den Verantwortlichen des Extremismusberichts unlauteren Wettbewerb vorwirft. Nach Ansicht des Vereins erweckt eine Textpassage den Eindruck, «Rechtsauskunft Anwaltskollektiv» sei nur eine andere Bezeichnung für das Komitee gegen Isolationshaft (KGI) - eine Gruppierung, die im Bericht des Bundesrates im Zusammenhang mit den Akteuren des Linksextremismus erwähnt wird.
Allemal originell. Die Immunität bleibt nach dem Entscheid sowohl des Ständerats als auch des Nationalrats dennoch unangetastet.

Klägliche Musikindustrie

Die Musikindustrie eröffnet eine neue Urheberrechtsfront. Nun wird verklagt, wer Liedertexte ins Internet stellt (s. dazu den polemischen Beitrag von Prof. Ken Lammers auf crimlaw).

EU Parlament für Vorratsspeicherung

Gemäss Financial Times Deutschland hat das EU Parlament einen Vorschlag der Justizminister gebilligt, der die Speicherung sämtlicher Verbindungsdaten im eMail- und Telefonverkehr für sechs Monate bis zwei Jahre vorsieht. Die Kosten sollen die Provider bezahlen, welche sie natürlich auf die Kunden überwälzen werden.

Die Pressemitteilung des Parlaments finden sie hier. Wer es genauer wissen will, kann sich den von der Kommission vorgelegten
Vorschlag für eine RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG
zu Gemüte führen. Natürlich steht alles unter Richtervorbehalt, aber wer mir den Richter nennt, der (in Europa oder gar in der Schweiz) jemals einen Überwachungsantrag abgewiesen hat, der möge sich bitte melden.

Mittwoch, Dezember 14, 2005

7 Monatslöhne für fristlos entlassene Untersuchungsrichterin

Im Fall der entlassenen Untersuchungsrichterin (s. dazu meinen früheren Beitrag) teilt das Bundesstrafgericht heute mit:
Das Bundesstrafgericht als Wahlbehörde für die Eidgenössischen Untersuchungsrichter hat beschlossen, das für die Amtsdauer 2003 bis Ende 2008 bestehende Anstellungsverhältnis mit der Eidgenössischen Untersuchungsrichterin, Frau Monique Saudan, mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Der Hauptgrund für diese Massnahme bildete die unhaltbare Situation in Bezug auf die von ihr bearbeiteten Verfahren bzw. die ausstehenden Abschlüsse, insbesondere bei Haftfällen, sowie die sich daraus entwickelnde betriebliche Situation bezüglich Zusammenarbeit im Untersuchungsrichteramt. Mit von Bedeutung war auch, dass sie bereits in der vorangehenden Wahlperiode wegen schleppender Führung der Voruntersuchungen von der Anklagekammer des Bundesgerichts mehrfach schriftlich abgemahnt werden musste. Mit Rücksicht auf die laufende Amtsdauer wurde ihr eine Entschädigung in der Höhe von sieben Monatslöhnen ausgerichtet.
Gemäss NZZ wird die Untersuchungsrichterin den Entscheid anfechten.

Gutachten aufgrund unvollständiger Akten

Ein Patient stellte gegen einen Chirurgen Strafantrag wegen einfacher Körperverletzung. Der Chirurg hatte dem Patienten entgegen dessen Weisungen ein Implantat ohne vorsorglichen Einsatz von Antibiotika entfernt, was zu einer Wundinfektion und drei weiteren Operationen führte. Das Verfahren wurde vom Bezirksamt Frauenfeld zunächst eingestellt, musste dann aber auf Beschwerde des Patienten hin wieder aufgenommen werden. Nachdem ein Gutachten erstellt wurde, erfolgte ein neuerlicher Einstellungsentscheid, den der Patient wiederum anfocht, diesmal aber vorerst ohne Erfolg. Der Kassationshof hiess eine dagegen gerichtete Willkürbeschwerde mit BGE 6S.143/2005 vom 27.10.2005 gut, weil das Gutachten auf zweifelhaften Grundlagen beruhte:

Vielmehr ergibt sich aus dem Gutachten, dass lediglich einzelne Aktenstücke aus der gesamten Krankengeschichte zur Verfügung standen und dass ungewiss ist, ob diese "repräsentativ" sind. Auch eine repräsentative Auswahl von Akten würde keine genügende Grundlage für eine Begutachtung abgeben. [...].

Somit beruht das Gutachten auf einer unklaren und damit zweifelhaften Aktengrundlage. [...]. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass für die Begutachtung alle massgeblichen Unterlagen zur Verfügung standen (E. 3.2).

Sonntag, Dezember 11, 2005

Einsatz von Drohnen

Die heutige Sonntagspresse nennt gleich zwei neue Einsatzgebiete für die Drohnen der Schweizer Armee, welche sie offenbar selbst nicht mehr benötigt.

Gemäss Sonntagszeitung sollen Drohnen für die Euro 08 eingesetzt werden. Laut dem "Chef Sicherheit Euro 08" ist die Bodenüberwachung aus der Luft ein zentrales Anliegen der Sicherheitsverantwortlichen. Drohnen haben gegenüber Helikoptern den Vorteil, dass sie kaum Lärm verursachen und Personal sparen. Zusammenrottungen von Hooligans oder Ausschreitungen liessen sich sofort erkennen, entsprechend schnell könnte die Polizei reagieren.

Die NZZ am Sonntag berichtet dagegen über den geplanten Einsatz von Drohnen zur Unterstützung des Grenzwachtkorps. Gesetzliche Grundlage soll angeblich das Zollgesetz sein, wahrscheinlich Art. 27 ZG.

Update: Hier der Bericht in der NZZ am Wochentag.

Maulkorb für Rechtsanwälte?

Labeo stellt die Frage aus Anlass zweier aktueller Entscheide des Bundesgerichts (BGE 2A.368/2005 vom 12.10.2005 und BGE 2A.168/2005 vom 06.09.2005), die er im Ergebnis zu begrüssen scheint und in seinem Beitrag zu folgendem Schluss kommt:
Hintergrund dieser auf den ersten Blick streng erscheinenden Rechtsprechung ist wohl der Gedanke, dass Polemik oder ehrverletzende Äusserungen eines Rechtsvertreters seinem Mandanten wohl mehr schaden als nützen. So gesehen geht es um den Schutz einer qualitativ genügenden Rechtsvertretung und damit um den Schutz des Mandanten.
Es mag sein, dass Polemik von Rechtsanwälten den Interessen der Mandanten schaden kann, was ja aber eigentlich nicht sein dürfte und damit auch nicht der Hintergrund dieser Rechtsprechung sein kann. Die Beörden haben wenigstens nach meinem Verständnis nicht das Verhalten der Vertreter zu beurteilen, sondern die Rechtsbegehren der Vertretenen.

Fragwürdig an der Rechtsprechung (darf ich das sagen?) erscheint mir, dass es im Ergebnis wohl nicht darauf ankommt, was man sagt, sondern wie man es sagt: "Sag was Du willst, aber sag es gefälligst politisch korrekt."

Freitag, Dezember 09, 2005

DAP unter Beschuss

Die Medien schiessen sich heute erneut auf die Nachrichtendienste, insbesondere auf den im fedpol angesiedelten DAP ein (s. Tagesanzeiger). Anlass ist der Bericht der GPDel zum Fall Mohamed Achraf, der leider nur in einer Zusammenfassung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Für alle, die schon immer wissen wollten, wie messerscharf die GPDel analysiert und wie knallhart sie den Bundesrat in die Pflicht nimmt, habe ich deren Empfehlungen zusammengetragen:
Empfehlung 1
Die Geschäftsprüfungsdelegation fordert den Bundesrat auf, Massnahmen zu treffen, die einen schnellen und umfassenden Informationsaustausch zwischen der Bundeskriminalpolizei und dem Dienst für Analyse und Prävention im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten gewährleisten.

Empfehlung 2
Die Geschäftsprüfungsdelegation fordert den Bundesrat auf, Vorkehrungen zu treffen, damit in Zukunft Meldungen ausländischer Partnerdienste mit einer politischen Dimension für die Schweiz systematisch eine grössere Bedeutung beigemessen wird und sie rascher behandelt werden. Unter solchen Meldungen sind – wie bei den Meldungen im Fall Mohamed Achraf – inbesondere Meldungen zu verstehen, die einen Bezug zur Schweiz und Hinweise auf terroristische Handlungen
aufweisen. Die Zuverlässigkeit des ausländischen Partnerdienstes ist bei der Bewertung seiner Meldungen mit einzubeziehen.

Empfehlung 3
Die Geschäftsprüfungsdelegation fordert den Bundesrat auf, organisatorische Vorkehrungen im Dienst für Analyse und Prävention (DAP) zu treffen, damit der
Leiter DAP und allenfalls der Direktor des Bundesamtes für Polizei über Meldungen im Sinne der Empfehlung 2 rechtzeitig informiert werden.

Empfehlung 4
Die Geschäftsprüfungsdelegation fordert den Bundesrat auf, Lösungen zu erarbeiten, welche den schweizerischen Sicherheitsdiensten ermöglichen würden, eine allfällige Inhaftierung einer Person in der Schweiz schnell und systematisch abzuklären.

Leukerbad-Urteile online

Die Urteile des Bundesgerichts zu je einer staatsrechtlichen Beschwerde und je einer Nichtigkeitsbeschwerde des ehemaligen Gemeindepräsidenten von Leukerbad und den ehemaligen Direktot der L.L.B. sind online (BGE 6S.404/2004 und 6S.400/2004 vom 11.10.2005).

Die staatsrechtlichen Beschwerden wurden abgewiesen. Mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden sind die beiden Beschuldigten je in einem Punkt durchgedrungen. Juristisch interessant erscheint höchstens folgende Feststellung des Bundesgerichts im Entscheid gegen den Gemeindepräsidenten (E. 13.5):
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie einen Vermögensschaden allein durch die Aufnahme von Krediten bejaht und den Beschwerdeführer deshalb der vollendeten ungetreuen Geschäftsführung bzw. -besorgung schuldig gesprochen hat.

Mittwoch, Dezember 07, 2005

Update 4: "Annahme verweigert"

Markus Schneider legt in einem leider etwas schwer auffindbaren Kommentar Wert auf eine Klarstellung, die Sie hier finden.

Luzernischer Amtstatthalter als Haftrichter?

In einem heute auf dem Internet publizierten Entscheid 1P.695/2005 vom 25.11.2005 weist das Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde ab. Der Beschwerdeführer machte erfolglos geltend, der die Strafuntersuchung führende Amtsstatthalter sei kein "erkennender Richter" und damit nicht befugt, Untersuchungshaft anzuordnen. Unter Verweis auf BGE 131 I 36 und BGE 131 I 66 wiederholt das Bundsgericht:
Der Sinn und Zweck von Art. 5 Ziff. 3 EMRK und Art. 31 Abs. 3 BV besteht darin, zu vermeiden, dass eine objektiv befangen erscheinende Justizperson strafprozessuale Haft anordnet. Ein solcher Anschein ist nach der dargelegten Praxis gegeben, wenn ein haftanordnender Untersuchungsrichter Weisungen von Seiten der Anklagebehörde zu befolgen hätte oder wenn er in der Folge in der gleichen Sache Anklagefunktionen ausüben könnte.
Art 31 Abs. 3 BV lautet wie folgt:
Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird [...].
Der über die Haft entscheidene Richter kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts also ausgerechnet derjenige sein, der die Haft angeordnet hat. Einen abhängigeren Richter kann ich mir ja gar nicht vorstellen. Wenn mich nicht alles täuscht, ist diese Rechtsprechung schlicht und einfach falsch.

Dienstag, Dezember 06, 2005

Private Sicherheitsfirmen

Gemäss einer Medienmitteilung vom 05.12.2005 sieht der Bundesrat im Zusammenhang mit privaten Sicherheitsfirmen Handlungsbedarf. "Er lädt deshalb die Kantone ein, ihre Vorschriften stärker zu harmonisieren." So einfach können politische Lösungen sein.

VoIP im rechtsfreien Raum?

In einem heutigen NZZ-Beitrag über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Internet-Telefonie äussert sich der stellvertretende Direktor des BAKOM wie folgt zur Frage, ob die Untersuchungsbehörden im Strafverfolgungsfall Voip-Kommunikationen abhören lassen können:
Diese Pflicht besteht auch für die Voip-Anbieter. Ändern wird sich jedoch die technische Ausgestaltung. Die Anbieter müssen die Umsetzung dieser Pflicht mit dem «Dienst für besondere Aufgaben» im UVEK absprechen. Leider bestehen noch keine standardisierten internationalen Normen für die Abhörung von Voip, so dass heute eine Abhörung nötigenfalls noch je im Einzelfall einzurichten wäre.

Fristenlauf bei falscher Rechtsmittelbelehrung

Wer auf komplizierte Sachverhalte steht, dem kann BGE 1P.374/2005 vom 22.11.2005 nur wärmstens empfohlen werden. Im Ergebnis qualifizierte das Bundesgericht einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich als willkürlich. Dieses hatte einem Fristwiederherstellungsgesuch der Staatsanwaltschaft statt gegeben, welche geltend gemacht hatte, die Fehlerhaftigkeit einer Rechtsmittelbelehrung nicht erkannt zu haben. Aus dem Entscheid (E.2.8):
Demnach wäre die Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung im Einzelrichterentscheid vom 10. Juli 2002 angesichts der Gesamtheit der Umstände für die Staatsanwaltschaft mit dem Entscheid des Obergerichts vom 18. März 2004 erkennbar gewesen. Da mit der Erkennbarkeit der Fehlerhaftigkeit einer Rechtsmittelbelehrung das Hindernis nach § 199 Abs. 3 GVG dahinfällt, ist es entgegen dem angefochtenen Beschluss vom 20. September 2004 unhaltbar, die Eröffnung des Obergerichtsentscheides vom 18. März 2004 unberücksichtigt zu lassen. Damit hält die Fristwiederherstellung, welche für den Wegfall des Hindernisses nach § 199 Abs. 3 GVG allein die Kenntnisnahme des Fristwiederherstellungsgesuches der Beschwerdeführerin am 29. April 2004 berücksichtigt, vor Art. 9 BV nicht stand. Insoweit erweist sich die vorliegende Beschwerde als begründet und ist der Beschluss vom 20. September 2004 aufzuheben.
Das Verfahren geht übrigens auf ein Strafmandat aus dem Jahr 1992 zurück.

Montag, Dezember 05, 2005

Bundesrecht gleich mehrfach verletzt

Mit Urteilen vom 16. November hat der Kassationshof des Bundesgericht zwei Urteile des Obergerichts des Kantons Aargau aufgehoben. Im ersten Fall stellte der Kassationshof gleich mehrere Verletzungen von Bundesrecht fest (BGE 6P.78/2005). Im zweiten Fall (BGE 6P.79/2995) verweigerte das Obergericht dem Verurteilten zu Unrecht den bedingten Strafvollzug:
Wie der Beschwerdeführer zu Recht ausführt, räumt die Vorinstanz dem Umstand, dass er während des laufenden Strafverfahrens erneut straffällig geworden ist, in unzulässiger Weise eine vorrangige Bedeutung bei. Zu seinen Gunsten sprechende Gesichtspunkte vernachlässigt sie oder lässt sie gänzlich ausser Acht. So fehlen namentlich Erwägungen über die familiären Verhältnisse und die soziale Integration des Beschwerdeführers, welche Rückschlüsse auf sein künftiges Wohlverhalten zuliessen. Die blosse Wiedergabe des Führungsberichts der Strafanstalt genügt in dieser Hinsicht jedenfalls nicht. Unter diesen Umständen kann nicht überprüft werden, ob die Vorinstanz Bundesrecht richtig angewendet hat. Das angefochtene Urteil ist daher nach Art. 277 BStP aufzuheben.

Sonntag, Dezember 04, 2005

Unmittelbarkeitsprinzip

Christian Weber, Leitender Staatsanwalt StA III des Kantons Zürich, Wirtschaftsdelikte, äussert sich in einem Interview in der Sonntagszeitung über die (übermässige) Dauer von Wirtschafts-Strafverfahren in der Schweiz. Interessant ist sein Lösungsansatz:
Wir müssen noch mehr zu Teamarbeit übergehen. Wir sind aber vor allem wegen des Prozessrechts eingeschränkt. Wir sollten über einen Wechsel zum Unmittelbarkeitsverfahren diskutieren.
Das Prozessrecht stellt die formelle Gerechtigkeit sicher und kann an sich der materiellen Gerechtigkeit nicht hinderlich sein. Dass es aber bisweilen die Durchsetzung des materiellen Rechts nicht eben beschleunigt, und damit eines seiner wichtigsten Prinzipien behindert, ist aber tatsächlich paradox. Wenn die Lösung im Unmittelbarkeitsprinzip liegen kann - und vieles spricht dafür - dann frage ich mich, warum es in der Praxis nicht bereits heute stärker betont wird. Das geltende Recht steht dem m.E. nicht im Weg. Im Begleitbericht zum Vorentwurf zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung (S. 27) lässt sich dazu folgendes entnehmen:
Weil dem Unmittelbarkeitsgrundsatz vor der ersten Instanz vermehrt Rechnung getragen wird, darf bei Rechtsmitteln häufiger das schriftliche Verfahren, so namentlich bei der Berufung, angewendet (Art. 458, 472-473 VE, Ziff. 273.3) und im Rechtsmittelverfahren die Abnahme neuer bzw. die erneute Abnahme von bereits vorinstanzlich erhobener Beweise beschränkt werden (Art. 457 VE, nachfolgend Ziff. 271.2).

Samstag, Dezember 03, 2005

Labeo

Mit Labeo, der hier zu meiner Freude gepostet hat, erhebt sich eine neue und offensichtlich gewichtige Stimme aus der Blogospäre, die sich mit der aktuellen Rechtspraxis auseinandersetzt.

Ich wünsche Labeo, dass er seine Anonymität möglichst lange wahren und damit Dinge sagen kann, die ich nicht sagen kann (oder vielleicht nicht sagen sollte). Wer mit der Anonymität Mühe hat, kann seine Neugier hier oder hier befriedigen.

Neue Kritik an der Staatsanwaltschaft

Gleich in mehreren Beiträgen und einem Kommentar wird die Staatsanwaltschaft für ihr Vorgehen im Fall Michael John / PPal AG) in der Solothurner Zeitung kritisiert (vgl. dazu auch finanznachrichten.de). Der Staatsanwaltschaft wird vorgeworfen, ohne gesetzliche Grundlage Aktionäre als mögliche Geschädigte über Verfahrensdetails informiert zu haben, und zwar noch bevor die Verteidigung Akteneinsicht erhalten habe. Dabei habe sie darauf abgezielt, neue Strafanzeigen zu provozieren. Wer Details aus einer laufenden Untersuchung weitergebe, mache sich in der Regel strafbar. Das ist nun möglicherweise auch der Staatsanwaltschaft aufgefallen, denn sie äussert sich zu den Vorwürfen nicht:
Zu einem konkreten, laufenden Strafverfahren äussern wir uns in der Regel jedoch aus ermittlungstaktischen Gründen nicht.
Die Berichterstattung der Solothurner Zeitung ist übrigens auch nicht über jeden Zweifel erhaben. Dass die Verteidigung noch keine Akteneinsicht gehabt haben soll, als die Staatsanwaltschaft die Aktionäre am 3. Oktober 2005 orientiert hat, kann ich mir nicht erklären. Die Orientierung der Aktionäre fand nach dem Haftgerichtsverfahren statt, das bereits Ende August stattgefunden haben muss. In die Haftakten - und das sind immerhin diejenigen, auf welche die Staatsanwaltschaft ihr Haftgesuch stützt - hat die Verteidigung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Obergerichts des Kantons Solothurn volle Akteneinsicht.

Freitag, Dezember 02, 2005

Entschädigung bei Einstellung des Verfahrens

Wie hier berichtet hat die Bundesanwaltschaft das Verfahren gegen die früheren Al-Taqwa-Manager Youssef Nada und Ali Himmat einstellen müssen. Nun hat das Bundesstrafgericht über die geltend gemachten Entschädigungen nach Art. 122 BStP zu entscheiden (BK.2005.14 und BK.2005.16, beide vom 30.11.2005). Die beiden Entscheide äussern sich umfassend zur Anspruchsgrundlage und zur Höhe der Stundenansätze für die Anwaltskoten:
In Berücksichtigung der Bedeutung des Falles (Verdacht auf Finanzierung eines Terrornetzwerks und damit auf Beteilung an und/oder Unterstützung einer kriminellen Organisation gemäss Art. 260ter StGB), der verhältnismässig hohen Komplexität und der Mehrsprachigkeit erscheint ein Ansatz von Fr. 250.-- als angemessen.
Etwas peinlich mutet die Art an, wie der Verteidiger von Himmat seinen Honoraranspruch begründete:
Es fällt auf, dass sich die angeblich zur Verteidigung aufgewendeten 225 Stunden („Totale ore impiegate: 225“) offensichtlich aus der Division des vorerwähnten, Auslagen und Mehrwertsteuer enthaltenden Betrages von Fr. 67'500.-- durch den beantragten Stundenansatz von Fr. 300.-- ergeben. Das allein lässt bereits an der Richtigkeit und Widerspruchsfreiheit der eingereichten Rechnungen zweifeln. Untermauert wird dieser Schluss durch die Tatsache, dass – ausgehend vom angebehrten Ansatz von Fr. 300.-- pro Stunde – verschiedene in den Einzelrechnungen geltend gemachte Honorarsummen nicht mit den Angaben im nachträglich der Beschwerdekammer eingereichten Leistungsjournal (act. 6.1) übereinstimmen.

Donnerstag, Dezember 01, 2005

Geldwäscherei - Rechtshilfe bei unbekannter Vortat?

Das Bundesgericht hat sich in einem Urteil vom 15. November 2005 (BGE 1A.164/2005) erneut zur Frage der Zulässigkeit der Rechtshilfe bei ausländischen Geldwäschereiverfahren geäussert, bei denen die Vortat nicht bekannt ist:
3.2 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist Rechtshilfe wegen des Verdachts der Geldwäscherei grundsätzlich auch dann zulässig, wenn das Rechtshilfeersuchen lediglich verdächtige Finanztransaktionen darlegt, ohne zu erwähnen, worin die Vortat besteht (BGE 129 II 97 E. 3.2 und 3.3 S. 99 f.). Voraussetzung ist jedoch, dass die geschilderten Finanztransaktionen von Art und Umfang oder von den Begleitumständen her den Verdacht der Geldwäscherei begründen können (vgl. dazu Bundesgerichtsentscheid 1A.188/2005 vom 24. Oktober 2005). Ansonsten bestünde die Gefahr, dass der Vorbehalt der Schweiz zu Art. 2 lit. a des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (EUeR, SR 0.351.1) - wonach die Schweiz keine Rechtshilfe leistet bei Straftaten, die bloss auf eine Verkürzung fiskalischer Abgaben (Steuerhinterziehung) gerichtet sind - unter dem Vorwand der Rechtshilfe wegen Geldwäscherei umgangen wird.

Mittwoch, November 30, 2005

Urteile des Bundesstrafgerichts und der Eclat im eidg. Untersuchungsrichteramt

Eine ganze Reihe neuer Urteile ist online, was heute gerade auch im Zusammenhang mit dem Eclat im eidgenössischen Untersuchungsrichteramt interessiert, über den der Tagesanzeiger berichtet.

Danach ist eine Untersuchungsrichterin seit knapp einem Monat freigestellt. Den Hauptgrund für diese Massnahme bildete laut Aufsichtsbehörde "die Situation der von der Untersuchungsrichterin bearbeiteten Verfahren beziehungsweise die ausstehenden Abschlüsse ." Dass dies tatsächlich der Hauptgrund ist, wage ich zu bezweifeln, weil er eine derart drastische Massnahme kaum rechtfertigen würde. Hingewiesen wird auf einen Entscheid des Bundesstrafgerichts vom 21. Oktober 2005 (BH.2005.30), aus dem folgende Passage zitiert sei:

Damit verstösst die Vorinstanz nicht nur gegen die erwähnte Anordnung der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts, sondern manifestiert auch, dass sie nicht willens oder nicht fähig ist, das Verfahren mit der notwendigen Beförderlichkeit voranzutreiben. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots ist somit zu bejahen. Angesichts der Tatsache, dass seit dem erwähnten abmahnenden Entscheid rund fünf weitere Monate ohne wesentliche Beweiserhebungen verstrichen sind, handelt es sich um eine schwere Verletzung des Beschleunigungsgebots. Die Beschwerde ist demnach und alleine aus diesem Grund gutzuheissen und der Beschwerdeführer ist aus der Untersuchungshaft zu entlassen E. 5.2)

Update 3: "Annahme verweigert"

Die heutigen Pressereaktionen finden Sie im Solothurer Tagblatt und etwas ausführlicher in der Solothurner Zeitung.

Meine Kritik, dass die Staatsanwaltschaft in den Strafuntersuchungen schlicht nicht existent sei und zuviel der Polizei überlasse, wird von der Staatsanwaltschaft vehement zurückgewiesen. Das beweist immerhin, dass die Staatsanwaltschaft doch existiert. Jetzt sollte der Wahrnehmung ihrer Führungsrolle in den Strafuntersuchungen ja nichts mehr entgegen stehen.

Der Polizeikommandant weist in der Presse den Vorwurf, dass die Polizei zu viel Kompetenzen im Ermittlungsverfahren habe, vehement zurück. Ernst zu nehmen ist das freilich nicht. Ich kenne jedenfalls keinen Polizisten, der sich je über zuviel Kompetenzen beklagt hätte.

Zwischenergebnis: In der Sache scheinen sich alle mehr oder weniger einig zu sein, weisen aber die sie selbst betreffenden Vorwürfe vehement zurück. Zugestanden sind lediglich organisatorische Anlaufschwierigkeiten.

Dienstag, November 29, 2005

Nicht jeder Handel mit Hanfprodukten illegal

Mit dieser Begründung hat das Kassationsgericht des Kantons Zürich die Verurteilung eines Gesellschafters aufgehoben, der nicht gewusst haben will, dass "seine" Gesellschaft illegale Hanfgeschäfte tätigte. Die Vorinstanz habe gemäss NZZ (Artikel nicht online) nicht dargelegt, weshalb der Gesellschafter die illegalen Tätigkeiten hätte erkennen können. Schliesslich sei nicht jeder Handel mit Hanfprodukten illegal. Die Erwägungen der Vorinstanz seien nicht nachvollziehbar und daher willkürlich.

Montag, November 28, 2005

Update 2: "Annahme verweigert"

Die Diskussion um die neue solothurnische Staatsanwaltschaft findet heute ihren Weg zurück in die Medien. Heute berichtet das Solothurner Tagblatt über den aktuellen Stand und zitiert aus diesem Weblog. Dazu folgende Klarstellungen:

  1. "Nicht existent" - und das war meine einzige Kritik an der neuen Staatsanwaltschaft - ist die Staatsanwaltschaft im Vorverfahren, das sie nach Gesetz ja eigentlich führen muss. Dies war einer der Mängel des alten Systems, der mit der Strafverfolgungsreform behoben werden sollte. Nach den ersten Monaten unter dem neuen Regime ist festzustellen, dass die Untersuchungshandlungen nach wie vor weitgehend der Polizei delegiert oder gar überlassen werden. Dass ich gerade heute die gegenteilige Erfahrung machen durfte, ändert an meinen grundsätzlichen Bedenken nichts, muss aber fairerweise auch erwähnt sein.
  2. Die fachliche Aufsicht über die Staatsanwaltschaft obliegt den Gerichtsinstanzen, welche deren Verfügungen und Anträge zu prüfen haben (Haftfgericht und Strafkammer des Obergerichts). Dass es für die Verteidigung äusserst schwierig ist, sich gegen die Staatsanwaltschaft durchzusetzen, liegt ja sicher nicht nur daran, dass die Argumente der Staatsanwaltschaft derart überzeugend wären. Telefonkontrollen und Haftanträge werden beispielsweise praktisch ausnahmslos bewilligt, obwohl die entsprechenden Anträge im Vergleich zu anderen Kantonen oft nur rudimentär begründet werden. Nach meiner Auffassung liesse sich die Qualität und damit auch die Effizienz der staatsanwaltlichen Tätigkeit steigern, wenn ihre Anträge und Verfügungen kritischer gewürdigt würden. In dieser Hinsicht kann die politische Aufsicht keinen Beitrag leisten.

Sonntag, November 27, 2005

Hausdurchsuchung bei der Geschädigten?

Die Sonntagszeitung berichtet über eine Hausdurchsuchung in den Büros von Josef Blatter bei der Fifa. Diese soll im Rahmen eines Verfahrens wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung zum Nachteil der Fifa erfolgt sein. Der Fantasie der Strafverfolgungsbehörden sind halt keine Grenzen gesetzt.

Samstag, November 26, 2005

Das rechtsstaatliche Gewissen der Schweiz

In den letzten drei Beiträgen habe ich auf gestern online gestellte Entscheide des Bundesgerichts hingewiesen. In allen drei Entscheiden hat die Erste öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts Entscheidungen der Obergerichte Schaffhausen, Bern und Aargau als verfassungswidrig aufgehoben. Alle drei Urteile erscheinen als zwingend und werfen kein gutes Licht auf die kantonalen letztinstanlichen Gerichte.

Als rechtsstaatliches Gewissen der Schweiz erweist sich einmal mehr die genannte Abteilung des Bundesgerichts, welche ja nur eine verschwindende Minderheit der unhaltbaren kantonalen Entscheiden vorgelegt kriegt. Die meisten Rechtssuchenden können oder wollen sich bereits das Kostenrisiko, das mit einem Gang ans Bundesgericht verbunden ist, nicht leisten. Darauf spekulieren ganz offensichtlich auch kantonale Gerichte uns sich mehr oder weniger bewusst über Gesetz und Verfassung hinwegsetzen. Es wird mir jedenfalls niemand plausibel erklären können, dass die Richter, die an den drei aufgehobenen Urteilen mitgewirkt hatten, davon überzeugt sind, Recht gesprochen zu haben.

Kostenauflage an Nichtverurteilte?

Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Aargau haben ein Strafverfahren gegen einen Beschuldigten eingestellt, diesem aber die Verfahrenskosten auferlegt. Diesen Entscheid musste der Beschwerdeführer bis vor Bundesgericht ziehen. Dieses nennt die längst bekannten Voraussetzungen für eine Kostenauflage an Nichtbeschuldigte und legt dar, dass solche Entscheide zu begründen seien (BGE 1P.534/2005 vom 15.11.2005). Dies hielten weder die Strafverfolgungsbehörden noch das Obergericht des Kantons Aargau für notwendig:
Die Beschwerdekammer hat denn auch im angefochtenen Entscheid über sechs Seiten für die keineswegs besonders weitschweifige Begründung der Kostenauflage aufgewendet und setzt sich daher selber in einen gewissen Widerspruch zu ihrer Aussage, die Staatsanwaltschaft habe die Begründungspflicht nicht verletzt. Dies ist vielmehr der Fall, der Beschwerdeführer hat in der kantonalen Beschwerde zu Recht eine Verletzung der Begründungspflicht gerügt (E. 5.1).

Hotelbriefkasten - keine rechtsgültige Zustellung

Dass ein Hotelbriefkasten nicht dem Herrschaftsbereich eines Hotelgastes zuzurechnen ist, musste das Bundesgericht anlässlich einer Laienbeschwerde gegen einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern feststellen (BGE 1P.550/2005 vom 10.11.2005):
Unter diesen Umständen hat der Gemeindeverwalter die Gerichtsurkunde, indem er sie, als das Hotel geschlossen und die Hoteleigentümer abwesend waren, in den Hotelbriefkasten warf, offensichtlich nicht in den Herrschaftsbereich der Beschwerdeführerin gebracht und diese damit nicht rechtsgültig am 16. März 2005 zugestellt (E. 3.1).

Keine Kostenauflage an die Auskunftspersonen

Das Untersuchungsrichteramt Schaffhausen hat ein Strafverfahren eingestellt und die Kosten einer Auskunftsperson auferlegt, welche von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte. Dass es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt, hat das Untersuchungsrichteramt ebenso wenig gekümmert wie die Staatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Schaffhausen, welche die Rechtsmittel der Auskunftsperson abgeschmettert hatten. Vor Bundesgericht hatte die Auskunftsperson leichtes Spiel (BGE 1P.464/2005 vom 10.11.2005):
Die Tragung der Kosten eines eingestellten Strafverfahrens durch Auskunftspersonen (Dritte) ist weder in den oben genannten noch in anderen Bestimmungen der Schaffhauser Strafprozessordnung vorgesehen. Indem das Obergericht die Auferlegung der Verfahrenskosten an den Beschwerdeführer dennoch bestätigt, verletzt es das Legalitätsprinzip. Die Beschwerde ist
insoweit begründet (E. 3.3).

Update: "Annahme verweigert"

Mein Beitrag zur Kolumne von Markus Schneider hat zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Besonders gefreut hat mich der Kommentar von Markus Schneider selbst, der seine Reaktion (leider) als einziger hier gepostet hat (Hinweis an alle, die hier nicht posten: man kann seine Kommentare auch anonym veröffentlichen).

Schneider und ich (und übrigens bisher alle anderen Reaktionen, die ich auf anderem Weg erhalten habe) stimmen letztlich überein, dass der Ist-Zustands kein Zustand ist. Nicht einig scheinen wir uns bloss darin zu sein, wo Handlungsbedarf besteht. Schneider erkennt ihn als Politiker bei der politischen Aufsicht, während ich ihn als Strafverteidiger bei der Führung der Staatsanwaltschaft selbst und bei den fachlichen Aufsichtsgremien (insb. Haftgericht und Strafkammer des Obergerichts, die über hochqualifizierte Köpfe verfügen) orte. Wenn Schneider und ich nicht völlig von der Rolle sind, liegt die Lösung ja auf der Hand: das eine tun und das andere nicht lassen.

Zum politischen Ansatz habe ich noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen, die m.E. nicht ausser Acht gelassen werden dürfen:
  1. Die Staatsanwaltschaft ist keine Justizbehörde. Sie gehört wie die Polizei der Exekutive und nicht der dritten Gewalt an (s. dazu einen früheren Beitrag). Art. 90 KV unterscheidet denn auch zwischen der Strafgerichtsbarkeit (Justiz) und den Strafverfolgungsbehörden (Exekutive). Dass die beiden wichtigsten Strafverfolgungsbehörden im Kanton Solothurn - nämlich die Polizei und die Staatsanwaltschaft - unterschiedlichen Departementen angehören, erscheint mir als struktureller Unsinn, der die politische Problemlösung sicher nicht vereinfacht.
  2. Innerhalb der Exekutive nimmt die Staatsanwaltschaft eine Sonderstellung ein, was die politische Aufsicht erschwert. Die Staatsanwaltschaft hat justizielle Funktion und muss über Unabhängigkeit gegenüber der Regierung verfügen (vgl. dazu die Diskussion auf Bundesebene sowie meine früheren Beiträge dazu: hier, hier, hier und hier).

Donnerstag, November 24, 2005

Lebenslange Verwahrung

Mit Pressemitteilung vom 23.11.2005 orientiert das EJPD über die Verabscheidung der Botschaft (Entwurf und Vernehmlassungsergebnisse) zur Umsetzung der Verwahrungsinitiative. Mehr dazu auf der Themenseite "Lebenslange Verwahrung" des BJ.

Verdeckte Ermittler im Rechtshilfeverfahren

Ein zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehener Entscheid des Bundesgerichts (BGE 1A.180/2005 vom 25.10.2005) befasst sich mit dem Einsatz ausländischer verdeckter Ermittler in Strafrechtshilfeverfahren. Aus E. 3.4:
Diese Eigenheiten des rechtshilfeweisen Einsatzes verdeckter Ermittler rechtfertigen, diese Rechtshilfemassnahme nur zu Gunsten von Staaten zuzulassen, zu denen ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht und die Gewähr bieten, sich trotz fehlender Kontrollmöglichkeiten der Schweiz an die Auflagen und Bedingungen zu halten, unter denen die Rechtshilfe gewährt wurde. Als Ausdruck eines solchen kann der Abschluss eines Staatsvertrages gesehen werden, in welchem der (gegenseitige) Einsatz verdeckter Ermittler ausdrücklich vorgesehen und geregelt wird.
Interessant ist übrigens die prozessuale Vorgeschichte und etwa die Tatsache, dass die Bundesanwaltschaft vor Bundesgericht erfolglos die Aufhebung ihrer eigenen Verfügung beantragt.

Ungewöhnlich harsch ist die Kritik des Bundesgerichts an einem Entscheid des Präsidenten der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts:
Er hat seine sachliche Zuständigkeit klar überschritten, indem er sich über [eine Verfügung der Bundesanwaltschaft] hinwegsetzte und befand, die Rechtshilfe an die Niederlande sei unrechtmässig erfolgt, anstatt allein zu prüfen, ob die Voraussetzungen des BVE erfüllt seien oder nicht (E. 2.3).

Dienstag, November 22, 2005

"Annahme verweigert"

In seiner Kolumne im Solothurner Tagblatt übt Markus Schneider teils beissende Kritik an der neuen Solothurnischen Strafverfolgungsbehörde und fordert Massnahmen der politischen Aufsichtsbehörden. Dazu kann ich mir einen Kommentar natürlich nicht verkneifen:

Nach Jahrzehnten hat die politische Aufsicht endlich eingegriffen und die Strafverfolgung in kürzester Zeit grundlegend und zukunftsweisend reformiert. Dass vier Monate nach einer solchen Reform noch manches nicht so laufen mag wie es sollte, erscheint als verständlich. Bedenklich ist aber, dass die neue Superbehörde auch nach vier Monaten noch immer schlicht nicht existent zu sein scheint und ihre Aufgaben immer mehr der Polizei überlässt. Damit macht sie exakt das Gegenteil dessen, was der Gesetzgeber mit der Reform angestrebt hat. Gefragt ist jetzt aber nicht die politische Aufsicht, sondern die Führung der Staatsanwaltschaft selbst und die Gerichte, welche die fachliche Aufsicht ausüben (sollten) und dabei an akuter Beisshemmung zu leiden scheinen. Wenn die Gerichte den Kollegen von der Staatsanwaltschaft nicht alles durchehen liesse, würden sie sehr rasch besser, was im Interesse aller - ja, auch im Interesse der Beschuldigten - läge.

Montag, November 21, 2005

Treu und Glauben im Völkerrecht

Das Bundesgericht hat die Beschwerde eines deutschen Staatsangehörigen abgewiesen(BGE 1A.199/2005 vom 09.11.2005), der im vereinfachten Verfahren wegen bestimmter Delikte ausgeliefert worden war, sich nun aber wegen schwererer Delikte in Deutschland zu verantworten hat. Das Bundesamt für Justiz stimmte einem deutschen "Nachtragsersuchen" zu. Dagegen machte der Beschwerdeführer u.a. einen Verstoss gegen Treu und Glauben geltend: Der Haftbefehl, welcher der Auslieferung an Deutschland zugrunde lag, habe sich auf minderschwere Fälle beschränkt. Er habe darauf vertraut, dass keine weiteren Strafvorwürfe gegen ihn vorlägen und habe der vereinfachten Auslieferung nur aus diesem Grund zugestimmt.

Das Bundesgericht macht zuerst allgemeine Ausführungen zum völkerrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben und stellte dann für den anwendbaren Fall in E. 5.2 fest:
Vor der Übergabe begangene, im damaligen Auslieferungsersuchen nicht genannte Straftaten dürfen deshalb nur mit Zustimmung der Schweiz verfolgt bzw. dafür verhängte Strafen vollstreckt werden. Diese Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn die Auslieferungsvoraussetzungen erfüllt sind, d.h. es gelten dieselben
Voraussetzungen, die gegolten hätten, wenn schon im Mai 2004 über die (akzessorische) Auslieferung für die vorliegend beantragte Strafvollstreckung und -verfolgung hätte entschieden werden müssen. Die Rechtsstellung des Beschwerdeführers ist deshalb durch das Vorgehen der deutschen Behörden nicht verschlechtert und sein Vertrauen, nur wegen der im Haftbefehl vom 30. März 2004 genannten Straftaten ausgeliefert worden zu sein, nicht enttäuscht worden.
Ob der Beschwerdeführer dieses Argument versteht? Ich verstehe es jedenfalls nicht.

Samstag, November 19, 2005

Überwachung der Internettelefonie

"10 vor 10" hat gestern darüber berichtet, dass die Schweiz keine Mittel zur Überwachung der Internettelefonie (s. dazu meinen früheren Beitrag zu den Entwicklungen in den USA) habe, obwohl der Bund eben ein Überwachungszentrum für CHF 30 Mio. eingerichtet habe. Dies stelle ein "massives Problem" für die Strafverfolgung dar. Mindestens so problematisch ist aber doch, dass der Staat davon auszugehen scheint, es gebe nur potentielle Verbrecher, und jede Überwachungslücke als massives Problem qualifiziert. Darüber verliert "10 vor 10" leider kein Wort.

Im Beitrag gesteht ein Staatsanwalt offen zu, dass die Überwachung von VoIP nicht möglich sei, während die zuständige Stelle des Bundes (DBA) im Interesse der Strafverfolgung eine Stellungnahme verweigert (wie clever!). Der Beitrag von "10 vor 10" ist online.

Freitag, November 18, 2005

Verbrechensplanung aus dem Gefängnis

Der Bundesrat empfiehlt die Ablehnung der Motion "Schluss mit Verbrechensplanung von Gefängnisinsassen" von NR Ulrich Schlüer. Schlüer und seine 24 mitunterzeichnenden Kollegen forderten die Aufhebung des angeblich vom Bundesgericht verfügten "Abhörverbots für Telefongespräche von Gefängnisinsassen".

Die Gefängnisinsassen (und das Bundesgericht) werden von den Motionären wohl unterschätzt. Letztere zu unterschätzen dürfte dagegen nicht ganz einfach sein.

Donnerstag, November 17, 2005

Oil for food

Gemäss Tagesanzeiger Online droht eine Welle von Strafverfahren gegen rund 40 Unternehmen in der Schweiz (vgl. dazu meinen früheren Beitrag). Die Akten sind nun offenbar bei der Bundesanwaltschaft, die aber noch keine Verfahren eröffnet hat.

Die potentiell betroffenen Unternehmen, die ja aus dem veröffentlichten Bericht bekannt sind, werden es den Behörden danken, dass Ihnen so viel Zeit eingeräumt wird, sich auf allfällige Verfahren vorzubereiten. Meine Prognose daher: Der Zug ist für die Strafverfolger längst abgefahren, was sie selbstverständlich nicht daran hindern wird, lastwagenweise Beweismittel sicherzustellen, bevor die Verfahren dann wieder eingestellt werden.

Vorbefasste Oberrichter

Das Bundesgericht hat die Richter der I. Strafkammer des Zürcher Obergerichts auf Beschwerde hin als befangen erklärt. Diese hatten den Beschwerdeführer zu einer Busse von CHF 5,000.00 verurteilt. Das Urteil wurde vom Kassationsgericht bestätigt, dann aber vom Bundesgericht wegen Verletzung des Konfrontationsrechts aufgehoben (BGE 1P.676/2004 vom 22.03.2005). Im Rahmen der Neubeurteilung wollten dieselben Richter der I. Strafkammer den Fall erneut selbst beurteilen, was sich der Beschwerdeführer nicht gefallen lassen wollte und gemäss BGE 1P.591/2005 vom 02.11.2005 nun auch nicht gefallen lassen muss. Aus der Urteilsbegründung (E. 3.2):
"Angesichts dieser Haltung bestehen begründete Zweifel daran, dass die gleichen Richter in der Lage wären, das Ergebnis der ergänzenden Zeugenbefragung unvoreingenommen in die erneut vorzunehmende Beweiswürdigung miteinzubeziehen. Die Tatsache, dass das Bundesgericht die vom Beschwerdeführer gestellten Zusatzfragen als nicht von vornherein irrelevant bezeichnet hat, wird kaum etwas an der im obergerichtlichen Urteil zum Ausdruck kommenden Gewissheit der Richter zu ändern vermögen, dass die von der Zeugin bereits gemachten Angaben für eine Verurteilung des Beschwerdeführers genügten. Dass sich die Richter selbst für unbefangen erklären, kann im Übrigen nicht ausschlaggebend sein. Die Garantie des unvoreingenommenen und unbefangenen Richters wird schon verletzt, wenn bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein von Befangenheit besteht. Dieser Anschein kann aber hier nicht von der Hand gewiesen werden."

Mittwoch, November 16, 2005

Game over

Der Interessenverband der Musikbranche Ifpi Schweiz droht wieder einmal mit Klagen und Strafprozessen gegen private Raubkopierer (s. dazu meinen früheren Beitrag.). Was legal ist und was nicht definiert Ifpi gleich selbst und behauptet mit abenteuerlichen Zahlen (s. NZZ Online) einen enormen Schaden, den die "Musikpiraten" angeblich anrichten sollen. Die Aktion mit der dümmlichen Bezeichnung "Game over" soll sich zunächst gegen erwachsene, berufstätige Musikdiebe richten, "zu denen sich das illegale Herunterladen von Files von den minderjährigen Jugendlichen mehr und mehr verschoben haben soll."

Selbstversuch

Ein bei gelb blinkender Ampel geblitzter Autofahrer aus der Ostschweiz traute seinen Augen nicht und kontrollierte quasi im Selbstversuch gleich mehrfach, was denn da los sei.

Ergebnis: innert 97 Sekunden vier mal von der selben Radaranlage erfasst, und zwar nicht wegen Missachtung des Signals, sondern wegen übersetzter Geschwindigkeit (59, 63, 77 und 67 km/h). Die Gurte trug er übrigens auch nicht (s. Tagesanzeiger).

Dienstag, November 15, 2005

Unverhältnismässig streng und nicht nachvollziehbar

Der Kassationshof des Bundesgerichts hebt ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich wegen bundesrechtswidriger Strafzumessung auf (BGE 6S.367/2004 vom 26.10.2005):
Insgesamt würdigt die Vorinstanz einzelne zumessungsrelevante Komponenten unzutreffend. Die Strafe erweist sich in ihrer Höhe als unverhältnismässig streng und ist nicht nachvollziehbar (E. 4.6).
Keinen Erfolg hatte der Beschwerdeführer mit seinen Argumenten gegen die angeordnete Verwahrung (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB).

Montag, November 14, 2005

Polen und der Europäische Haftbefehl

EU Law Blog berichtet über einen Entscheid des Polnischen Verfassungsgerichts zum Europäischen Haftbefehl. Die Änderungen der Strafprozessordnung, welche den Rahmenbeschluss umsetzen sollten, wurden teilweise als verfassungswidrig qualifiziert (vgl. dazu meinen Hinweis auf ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts).

Unbegründet, aber doch nicht ganz unbegründet

Das Bundesgericht hat in einem heute online gestellten Entscheid (BGE 6P.104/2005 vom 27.10.2005) einen teilweise falsch begründeten Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau als im Ergebnis richtig geschützt, indessen darauf verzichtet, dem Beschwerdeführer Kosten aufzuerlegen:
"Vorliegend ist jedoch auf eine Kostenauflage zu verzichten, weil die teilweise unrichtige Begründung des angefochtenen Entscheids dem Beschwerdeführer Anlass gab, Beschwerde zu führen."
Auf seinen Anwaltskosten bleibt er freilich sitzen.

Freitag, November 11, 2005

Telekommunikationsüberwachung

Statewatch äussert sich im aktuellen News online zu den Entwicklungen bei der Überwachung der Telekommunikation. Erwähnt seien hier die aktuellen Vorlagen der EU (vgl. The surveillance of telecommunications in the EU).

Von besonderem Interesse sind die aktuellen Statistiken aus Grossbritannien, wekhe die jährlichen Zahlen seit 1937 zeigen: Telephone tapping and mail-opening figures 1937-2004. Zum Vergleich die Zahlen aus den USA von CDT. Statewatch beklagt sich, dass im Jahr 2003 in Grossbritannien mehr Überwachungen bewiligt wurden als in den USA. Auf die Zahlen in der Schweiz habe ich kürzlich hingewiesen. Hier nun eine Gegenüberstellung der für das Jahr 2003 bewilligten Telefonüberwachungen:
  • USA: 1,442
  • GB: 4,827
  • CH: 2,928 (ohne die 3,815 rückwirkenden Überwachungsmassnahmen)
In der Schweiz beklagt man sich wie berichtet nicht über die stetig steigenden Überwachungsmassnahmen, sondern bestenfalls über die Kosten. Ich finde keine Worte mehr dazu.

Donnerstag, November 10, 2005

Kurzen Prozess ...

... machte das Bundesgericht mit einer Nichtigkeitsbeschwerde und einer staatsrechtlichen Beschwerde eines wegen Drogendelikten zu 3 1/4 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Landesverweisung verurteilten Beschwerdeführers. Seine Rügen behandelte das Bundesgericht im heute online gestellten BGE 6P.83/2005 vom 20.10.2005 wie folgt:

  • Gehörsverletzung: "Rügen offensichtlich unbegründet"

  • Willkür: "wegen ungenügender Begründung nicht einzutreten"

  • Unschuldsvermutung: "Eine Verletzung des Grundsatzes 'in dubio pro reo' (vgl. BGE 127 I 38 E. 2a) ist nicht ersichtlich."

  • Begründungepflicht (Art. 29 Abs. 2 BV): "Die Erwägungen des Kantonsgerichts, insbesondere dessen Rückgriff auf die gerichtsnotorische Tatsache der 'Kundenabwanderung', sind nachvollziehbar und genügen den verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen von Art. 29 Abs. 2 BV."

  • Mittäterschaft: "Die Vorinstanz nimmt zu Recht Mittäterschaft an. Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor Bundesgericht keine neuen stichhaltigen Argumente vor."

  • Strafzumessung: "Die Vorinstanz hat die massgeblichen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt und zutreffend gewürdigt."

  • Landesverweisung: "Eine Bundesrechtsverletzung ist nicht ersichtlich."

  • unentgeltliche Rechtspflege: "Seine Gesuche sind abzuweisen, da die Rechtsbegehren von Anfang an aussichtslos erschienen."

Mittwoch, November 09, 2005

PlameGate light

Gemäss Tagesanzeiger Online sind heute zwei Journalisten der Berner Zeitung wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (Art. 293 StGB) verurteilt worden, die das Stimmverhalten im Berner Regierungsrat veröffentlicht hatten. Die beiden blieben jedoch straffrei. Absatz 3 der genannten Strafnorm sieht dies vor:
Der Richter kann von jeglicher Strafe absehen, wenn das an die Öffentlichkeit gebrachte Geheimnis von geringer Bedeutung ist.
Ihre Quelle hatten die Journalisten übrigens nicht preisgegeben.

28 Tage ohne Anklageerhebung

Eine Anti-Terrorismus-Vorlage der britischen Regierung hatte vorgesehen, Verdächtige bis zu 90 Tage (bisher 14 Tage) festhalten zu können, ohne Anklage zu erheben. Das ging dem Parlament zu weit und wies die Vorlage zurück. In einer zweiten Abstimmung wurde der Kompromiss beschlossen: 28 Tage (s. Tagesanzeiger Online und NZZ Online).

Gesetzgebungsmaschinerie auf Hochtouren

Gemäss heutiger Pressemitteilung wird das Opferhilfegesetz (OHG) total revidiert. Entwurf und Botschaft sind online.

Einiges tut sich auch im Bereich häusliche Gewalt (vgl. dazu die Themenseite des BJ mit aktuellen und weniger aktuellen Beiträgen).

Dienstag, November 08, 2005

Verfassungsmässigkeit der Kaida-Verfahren

SCOTUSblog und NZZ Online berichten über den Entscheid des U.S. Supreme Court, eine Verfassungsbeschwerde von Salim Ahmed Hamdan zur Entscheidung anzunehmen. Hamdan, angeklagter Häftling in Guantanamo (s. dazu die Website der Military Commissions mit der Anklageschrift gegen Hamdan et. al.), bringt folgende Fragen zur Entscheidung (Quelle: SCOTUSblog):
1. Whether the military commission established by the President to try petitioner and others similarly situated for alleged war crimes in the 'war on terror' is duly authorized under Congress's Authorization for the Use of Military Force (AUMF), Pub. L. No. 107-40, 115 Stat. 224; the Uniform Code of Military Justice (UCMJ); or the inherent powers of the President?
2. Whether petitioner and others similarly situated can obtain judicial enforcement from an Article III court of rights protected under the 1949 Geneva Convention in an action for a writ of habeas corpurs challenging the legality of their detention by the Executive branch?

Das Urteil der Vorinstanz (United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit), an dem der neu gewählte Chief Justice Roberts mitgewirkt hatte, ist online.

Keine (weitere) Überdehnung des Pornographie-Tatbestands

Terra Incognita berichtet über einen gestern online gestellten Entscheid des Bundesgerichts zu Art. 197 Ziff. 3 StGB (BGE 6S.315/2005 vom 12.10.2005). Das Bundesgericht blockte die eher absurd anmutenden Bestrebungen der Strafverfolgungsbehörden des Kantons Waadt ab, den Pornographie-Tatbestand zu subjektivieren.

Sonntag, November 06, 2005

Telefonüberwachung in der Schweiz

NZZ am Sonntag berichtet über den Unmut der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektor-innen und direktoren KKJPD (die nennt sich tatsächlich so) über die rasant steigenden Kosten der Telefonüberwachung. Jährlich fallen in der Schweiz ca. CHF 15 Mio. an Gebühren an, was gemäss der allzeit um den Rechtsstaat besorgten Vizepräsidentin der KKJPD Karin Keller-Sutter (FDP, SG) "rechtsstaatlich problematisch" sei. Es gehe auch "um das Prinzip, dass Private der Justiz Beweismittel kostenlos zur Verfügung stellen müssen. "

Interessant sind übrigens auch die Zahlen, die im Bericht genannt werden. Zwischen dem Jahr 2000 (4,000) und dem Jahr 2004 (8,000) habe sich die Zahl der Überwachungen verdoppelt (hierzu werden keine rechtsstaatlichen Bedenken angemeldet). Andere Zahlen präsentiert dagegen der Dienst für besondere Aufgaben DBA, dessen Statistik freilich wenig aussagekräftig ist (s. auch meinen früheren Beitrag).

"quasi rechtshilfeweise"

Aus einer Verfügung der Staatsanwaltschaft:

"Über die Eröffnung einer Untersuchung kann nach Auffassung der Staatsanwaltschaft unter dem Regime der geänderten Strafprozessordnung erst nach Eingang der vollständigen Akten (Anzeige mit allen Ermittlungsergebnissen und Beilagen) von der Polizei entschieden werden. Die bisher erfolgten Massnahmen (Telefonkontrollen und Hausdurchsuchung) erfolgten quasi rechtshilfeweise in der Ermittlungstätigkeit der Polizei gegen Unbekannt."


s. dazu meinen Kommentar in den Zitaten.

Freitag, November 04, 2005

Profifussballer diskriminiert?

Die Stadtpolizei Zürich hat einen bekannten Profifussballer unmittelbar vor dem Stadion angehalten, in Handschellen gelegt, abgeführt, einer Leibesvisitation unterzogen (dazu ist es offenbar aus Sicherheitsgründen unumgänglich, sich nackt ausziehen zu müssen) und befragt. Der Fussballer soll eine Verkehrsregel übertreten und sich unkooperativ verhalten haben. Darüber berichtet 10 vor 10 (s. auch die Medienmitteilung der Stadtpolizei Zürich und die Berichterstattung im Tagesanzeiger).

Gemeinsamer Nenner solcher Fälle aus eigener Erfahrung: Die Betroffenen sind Schwarze. Daraus können verschiedene Schlüsse gezogen werden, am ehesten sicher denjenigen, dass die eigene Erfahrung nicht repräsentativ ist.

Dienstag, November 01, 2005

Aufsicht über die Bundsanwaltschaft

Das schriftliche Vernehmalssungsverfahren zur Neuregeleung der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft (einheitliche Aufsicht) ist abgeschlossen. Laut Solothurner Tagblatt (Artikel online nicht verfügbar) stösst die Vorlage auf erheblichen Widerstand. Die Schweizerische Richtervereinigung, mehrere Kantone, SP und CVP lehnen sie ab. Hauptargument ist offenbar die als gefährdet erachtete Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft (s. dazu meinen früheren Beitrag).

Montag, Oktober 31, 2005

Bundesstrafgericht - neue Entscheide

Eine Reihe neuer Entscheide des Bundsstrafgerichts ist online. Soweit ersichtlich waren keine besonders interessanten Fragen zu beurteilen. Auffällig ist höchstens, dass die Beschwerdeführer mit zwei Ausnahmen (darunter Dieter Behring, vgl. meinen früheren Beitrag) erfolglos blieben. Zwei weitere Entscheide sind leider fehlerhaft verlinkt und bleiben uns verborgen.

Wieviele Bundesrichter?

Einen interessanten Aspekt zur Anzahl der Bundesrichter wirft fel. in die gegenwärtige Diskussion (s. Jusletter vom 31. Oktober 2005 (Nr. 254), S. 9 und NZZ Offline vom 31.10.2005). Er schlägt vor, fest fünf Richter pro Kammer (total nur 35!) zu wählen, damit der jeweilige Abteilungspräsident Grundsatzentscheidungen nicht bereits durch die Besetzung der Richterbank beeinflussen kann.

Maximalfrist für die Durchsuchung sichergestellter Computer?

The Volokh Conspiracy setzt sich hier mit United States v. Syphers auseinander, dem eine in der Schweiz - soweit ersichtlich - noch nie diskutierte Frage zugrunde liegt: Innert welcher Frist müssen die Strafverfolgungsbehörden einen bei einer Durchsuchung beschlagnahmten Computer analysieren?

Der Entscheid enthält interessante Ansätze, welche mit etwas Fantasie auch ins schweizerische Recht übersetzt werden könnten, obwohl wir jedenfalls auf Verfassungsstufe nichts mit dem Fourth Amendment Vergleichbares kennen.

Konfrontationsrecht verletzt

Das Bundesgericht kassiert ein Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau wegen Verletzung des Konfrontationsrechts im Sinne von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK (BGE 6P.22/2005 vom 12.10.2005, zur Publikation in der AS vorgesehen):

"Indem der Belastungszeuge mehr als vier Jahre nach seiner ersten Befragung sich weigerte, auf Ergänzungsfragen des Angeschuldigten zu antworten, konnte dieser seine Verteidigungsrechte nicht wirksam ausüben. Der Angeschuldigte vermochte unter diesen Umständen den Beweiswert der ersten - ohne seine Mitwirkung erfolgten - Aussage weder auf die Probe noch in Frage stellen (BGE 129 I 151 E. 4.2 mit Hinweisen). Die kantonalen Behörden haben diesen Umstand selbst zu vertreten, weil sie nicht alles unternommen haben, um eine Konfrontation möglichst frühzeitig durchzuführen" (E. 2.3).

Samstag, Oktober 29, 2005

Die Anklageschrift gegen I. Lewis Libby

Nach bald zweijährigen Ermittlungen um die Enttarnung der ehemaligen CIA-Agentin Valerie Plame hat Sonderstaatsanwalt Fitzgerald eine erste Anklage erhoben. Die Anklageschrift finden Sie hier. Darin wird Libby nicht etwa vorgeworfen, Valerie Plame widerrechtlich enttarnt zu haben, sondern die Justiz in ihren Ermittlungen durch Falschaussagen behindert zu haben (s. dazu kritisch White Collar Crime Prof Blog). Ein gutes Update gibt die NZZ.

Freitag, Oktober 28, 2005

Jugendanwaltschaft Solothurn online

Die Jugendanwaltschaft des Kantons Solothurn ist mit einer ganzen Reihe wertvoller Informationen online. Sogar ein ausführliches "faq" fehlt nicht. Eigentlich eine wunderbare Vorlage für die neue Staatsanwaltschaft, aber die scheint nicht nur im Web noch offline zu sein.

Busseninkasso

Das Regionaljournal Aargau-Solothurn berichtet über die massive Zunahme von Bussen und die immer schlechter werdende Zahlungsmoral der Gebüssten im Kanton Solothurn. Die solothurnische Lösung: Mehr Personal für die Gerichtskasse.

Zurück ans Bundesstrafgericht

Mit Entscheid vom 17.10.2005 (BGE 1S.26/2005) hebt das Bundesgericht ein Urteil des Bundestrafgerichts (BV.2005.21 vom 18.07.2005) gegen die Zollverwaltung auf. Das Bundesstrafgericht hatte den Beschwerdeführer mit der Begründung geschützt, dass der Zolldirektor keinen schriftlichen Durchsuchungsbefehl im Sinne von Art. 48 Abs. 3 VStrR ausgestellt hatte. Dies genügte dem Bundesgericht offenbar (die Entscheide ergingen in italienischer Sprache) nicht, so dass das Bundesstrafgericht nun erneut entscheiden muss.

Organisierte Kriminalität und Menschenhandel

Der Bundesrat beabsichtigt gemäss Pressemitteilung vom 26.20.2005, dem UNO-Übereinkommen gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität beizutreten und die beiden Zusatzprotokolle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel zu ratifizieren. Er hat am Mittwoch eine entsprechende Botschaft verabschiedet.

Donnerstag, Oktober 27, 2005

Oil for food

NZZ Online berichtet über den heute veröffentlichen Schlussbericht der Volcker-Kommission zum "Oil for food"-Skandal und die in diesem Zusammenhang in der Schweiz laufenden vier Untersuchungsverfahren.

Die Schweizer Richterzeitung

Die Ausgabe 2005/1 der Schweizer Richterzeitung (nein, sie heisst nicht "Die schweizerische Richterzeitung") mit einer Reihe sehr interessanter Beiträge ist (noch) online verfügbar, darunter einem Artikel von Andreas Haldemann über die Protokollierung von Aussagen im Strafprozess. Anlass zum Artikel gab ein Vorstoss im Kantonsrat, der darauf abzielt, dass im Kanton Solothurn neu auch bei Gerichtsverhandlungen die Aussageprotokolle unterzeichnet werden müssen. ENDLICH!

Dieter Behring, Fotograf

Das Bundesstrafgericht "schützt" eine Beschwerde von Dieter Behring (BB.2005.72 vom 19.10.2005). Dieser hatte bei der Bundesanwaltschaft vergeblich beantragt, die beschlagnahmte Fotoausrüstung schonend benützen zu dürfen. Den abweisenden Entscheid der Bundesanwaltschaft qualifiziert das Bundesstrafgericht mit überzeugender Begründung als unverhältnismässig:

"Vielmehr erscheint es sinnvoll, dem Beschwerdeführer, dessen Vermögenswerte soweit bekannt umfassend beschlagnahmt worden sind, für die zu erwartende, lange Dauer des Strafverfahrens die Möglichkeit einer legalen Erwerbstätigkeit im Bereich der Fotografie zu eröffnen und ihm die hierfür notwendigen Gegenstände zur schonenden Benutzung zu überlassen (E. 5.2)."

Telefonüberwachung - Randdaten

CDT berichtet über die Praxis des U.S. Justiz-Departements bei der Erhebung von Randdaten und stellt zwei Entscheide ins Netz. Darin wird die Auffassung vertreten, dass die Lokalisierung von Handybenützern einen Eingriff in die Privatsphäre darstellt und an die selben Voraussetzungen wie etwa eine Hausdurchsuchung geknüpft sein muss (vgl. dazu im schweizerischen Recht Art. 5 Abs. 1 lit. b BÜBPF und Art. 16 VÜPF).

Kriminalstatistik - Ländervergleich

Auf der Website nationmaster.com finden sich interessante Länderinformationen, u.a. auch Kriminalstatistiken. Die Zahlen für die Schweiz finden sich hier. Ins Auge sticht, dass die Schweiz gemessen an der Einwohnerzahl nach Norwegen weltweit die meisten Drogenprozesse (Quelle: UNODC).

Mittwoch, Oktober 26, 2005

Schengen und die Freiheitsrechte

Statewatch Online News präsentiert einen kritischen Beitrag von Balthasar Glättli und Heiner Busch zum Beitritt der Schweiz zu Schengen:

Switzerland votes in favour of accession to Schengen: a defeat for civil liberties.

"Spätestens nach den ersten Messerstichen ...

... wollte er sein Opfer töten." Gemäss Tagesanzeiger Online hat das Zürcher Obergericht Witali Kalojew, der in Kloten einen Fluglotsen der Skyguide niederstach, wegen vorsätzlicher Tötung verurteilt. Aus der öffentlichen Urteilsberatung ging hervor, dass Kalojew in heftiger Gemütserregung getötet habe, diese sei aber nicht entschuldbar, sondern Ausdruck einer Persönlichkeitsstörung sei.

Die Verteidigung hatte auf Totschlag plädiert. Das Strafmass steht noch aus.

update: 8 Jahre Zuchthaus (s. NZZ Online).

Beschlagnahme von Hanf

In einem heute online gestellten Entscheid hat das Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde gegen die Beschlagnahme von Hanfprodukten abgewiesen (BGE 1P.442/2005 vom 12.10.2005). Der Beschwerdeführer hatte geltend gemacht, die beschlagnahmten Gegenstände nicht in der Absicht der Gewinnung von Betäubungsmitteln hergestellt oder gelagert zu haben. Dagegen wandte das Bundesgericht u.a. folgendes ein:

"Es ist unbestritten, dass das beschlagnahmte Gut einen bedeutenden THC-Wert aufweist und insoweit geeignet ist, missbräuchlich im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes zur Gewinnung von Betäubungsmitteln verwendet zu werden, sei dies durch den Beschwerdeführer selber oder bei Weitergabe durch Dritte. Insoweit erscheint es nicht willkürlich, das THC-haltige Gut vorderhand als grundsätzlich der Einziehung unterliegend zu betrachten und demnach gestützt auf § 96 Abs. 1 StPO zu beschlagnahmen bzw. nach § 98 Abs. 1 Ziff. 2 StPO nicht herauszugeben" (E. 3.2).

Mit dieser Begründung ist allerdings kaum ein Gegenstand vorstellbar, der nicht beschlagnahmt werden könnte. Entscheidend dürfte vielmehr sein, dass erst im "materiellen Verfahren" zu entscheiden sei, was der Beschwerdeführer mit den beschlagnahmten Gütern "beabsichtigte, welchen Gebrauch er davon machte und ob er mit Vorsatz handelte und demnach allenfalls gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen hat. Darüber ist im Beschlagnahme-Verfahren nicht zu befinden" (E. 3.2).

Dienstag, Oktober 25, 2005

Vogelgrippe und Strafrecht

Auf die heute in Kraft getretene Vogelgrippe-Verordnung sind die Strafbestimmungen des Tierseuchengesetzes (TSG) anwendbar. Tatsächlich haben gemäss Tagesanzeiger einige Kantone bereits die Polizei angewiesen, "nach freilaufenden Nutzvögeln Ausschau zu halten." Gemäss Art. 47 TSG beträgt die Strafe in schweren Fällen Gefängnis bis zu acht Monaten.

Urteil gegen Musikpiraten

Recht und Alltag berichtet über ein drakonisches Urteil des Amtsgerichts Leipzig gegen einen Musikpiraten.

Montag, Oktober 24, 2005

Unterschrift auf Vorladungen

Das Obergericht des Kantons Solothurn hat am 11. Juli 2005 ein spektakuläres Kreisschreiben betreffend die Unterschrift auf Vorladungen erlassen und ins Internet gestellt. Der Beschluss lautet wie folgt: "Anstelle der durch Stempel angebrachten Faksimileunterschrift können Unterschriften auf Vorladungsformulare aus dem Geschäftsverwaltungs- und Textverarbeitungssystem der Gerichte aufgedruckt werden." - Hey, dürfen wir das auch?

Die Begründung des Beschlusses könnte übrigens aus dem Werk eines grossen Autors stammen, der ja auch Jurist war: "Aus Gerichtskreisen ist die Frage an das Obergericht herangetragen worden, ob Vorladungen auch mit gedruckten Unterschriften versehen werden können."

Ruhe für mehrere Jahre

Der Bundesrat hat die Interpellation 05.3402 von Nationalrat Alexander J. Baumann (Dr. iur, SVP Thurgau) beantwortet. Die Antwort ist wenig erhellend und sagt im Wesentlichen nur, dass "die bestehenden Mängel in der Bundesanwaltschaft" erkannt seien. Unterhaltsamer ist hingegen der Text der Interpellation selbst, v.a. folgende Empfehlung, die unter Verteidigern zirkulieren soll:

"[...] ein Angeschuldigter könne ja mit seinen Mittätern ein Geständnis betreffend kriminelle Organisation ablegen, damit die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft provozieren und sich auf diese Weise Ruhe für mehrere Jahre verschaffen."

Bisher habe ich weder einen Anwalt noch einen Beschuldigten getroffen, der kühn genug für eine solche Strategie wäre. Doch wer weiss, vielleicht wird mir die Ehre ja noch zuteil, einmal einen Nationalrat zu vertreten. Für mehrere Jahre Ruhe könnte ich allemal garantieren und um die Oase der Ruhe wird sich der Bundesanwalt schon kümmern.

Guido A. Zäch - 16 Monate bedingt

Gemäss Newsticker der baz ist Guido A. Zäch auch in zweiter Instanz verurteilt worden: Mehrfache Veruntreuung, 16 Monate bedingt.

update: Gemäss NZZ Online wird Zäch den Entscheid beim Bundegericht anfechten. Der Beitrag enthält auch erste Einzelheiten aus der mündlichen Urteilsbegründung. Daraus kann bereits erahnt werden, dass Zäch sowohl Nichtigkeitsbeschwerde als auch staatsrechtliche Beschwerde führen wird, zumal die Verteidigung weder materiell noch formell (Anklageprinzip) durchgedrungen ist.

Freitag, Oktober 21, 2005

Selbstbelastungsfreiheit im Strassenverkehr

HRRS berichtet über EGMR No. 63207/00 vom 24.03.2005, Rieg c. Austria. Der Entscheid bestätigt im Wesentlichen EGMR No. 38544/97 vom 08.04.2004, Weh c. Austria.

Nach dieser Rechtsprechung "soll vor der Frage an einen Halter, dessen Fahrzeug bei der Begehung eines Verkehrsvergehens aufgezeichnet worden ist, ob er das Fahrzeug gefahren habe, nach den Umständen des Falles kein Schutz durch die Selbstbelastungsfreiheit bestehen, wenn keine formale Aufnahme eines Strafverfahrens gegen den Fahrer vorliegt" (Leitsatz HRRS).

S. dazu auch den Beitrag Kausalhaftung für Ordnungsbussen?.

Polizeischutz nach St. Galler Art

Die Strafbehörden des Kantons St. Gallen müssen laut einem heute online gestellten und zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheid des Bundesgerichts (BGE 1P.440/2005 vom 06.10.2005) eine Strafuntersuchung gegen zwei Polizeibeamte eröffnen. Diese waren vom Beschwerdeführer angezeigt worden, nachdem sie ihn im Anschluss an eine Ausweiskontrolle festgenommen und nicht unerheblich verletzt hatten. Die Anklagekammer lehnte die Durchführung eines Strafverfahrens gegen die Polizisten mit der Begründung ab, ihr Einsatz sei rechtmässig und durch die Amtspflicht nach Art. 32 StGB gedeckt gewesen. Es lägen keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass die Beamten unzulässige und unverhältnismässige Mittel oder Gewalt angewendet hätten. Die für diese Feststellungen erforderlichen Abklärungen wurden aber gar nicht getroffen.

Der Beschwerdeführer berief sich vor Bundesgericht erfolgreich auf Art. 3 und Art. 13 EMRK. Das Bundesgericht zählt ausführlich auf, was die St. Galler Behörden alles unterlassen haben, um den Sachverhalt abzuklären: "Da dies alles unterblieben ist, haben die kantonalen Behörden den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine wirksame und vertiefte Untersuchung nach Art. 3 und 13 EMRK verletzt."

Zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehen ist der Entscheid wohl aber bezüglich der Frage der Legitimation des Beschwerdeführers, die das Bundesgericht aus dem Anspruch auf eine vertiefte und wirksame Untersuchung bei vertretbarer Behauptung einer Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung (prozessualer Teilgehalt von Art. 3 EMRK) sowie aus Art. 13 EMRK ab.