Freitag, März 31, 2006

Unschuldsvermutung nicht verletzt?

Nach Art. 154 OG kann bei staatsrechtlichen Streitigkeiten aus besonderen Gründen ausnahmsweise von Gerichtsgebühren abgesehen werden. Auf diese Bestimmung stützt sich das Bundesgericht in einem heute publizierten Urteil (BGE 1P.24/2006 vom 20.03.2006) Entscheid mit folgender "Begründung":
Ausnahmsweise ist von der Erhebung von Kosten abzusehen (Art. 154 OG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird damit hinfällig. Parteientschädigungen werden nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG).
Die Beschwerde richtete sich gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit in einem SVG-Appellationsverfahren. Aus der Begründung:
Die Radarfotos zeigen unbestritten den Wagen des Beschwerdeführers. Das Bild "Gesamtansicht Front" wurde am 30. November 2003 um 2.18 Uhr morgens gemacht. Der Fahrer benötigte zu dieser Tageszeit keine Sonnenblende. Die Erklärung für ein solches Verhalten ist naheliegend: Es scheint offensichtlich, dass der Lenker nachgerade verhindern wollte, auf einem allfälligen Radarfoto erkannt zu werden. Dass ein fremder Fahrer zu dieser Zeit mit dem Auto des Beschwerdeführers unterwegs gewesen sei, wurde offenbar im bisherigen Verfahrensverlauf weder behauptet noch plausibel dargelegt. In diesem Zusammenhang durfte der Präsident des Appellationsgerichtes bei seiner auf die Akten gestützten summarischen Prüfung durchaus berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nie geltend gemacht hat, jemand anderes sei gefahren, sondern lediglich - wenn auch unter Angabe von Beweismitteln - bestreitet, auf dem Foto klar identifizierbar zu sein. Aufgrund der Indizienlage ist in nachvollziehbarer Weise davon auszugehen, dass der Beschwerde kaum Erfolg beschieden sein dürfte. Für den Strafrichter dürften sich aufgrund der Umstände kaum ernsthafte Zweifel an der Schuld des Beschwerdeführers aufgedrängt haben.
Diese Argumentation mag ja richtig sein. Wenn ist es wirklich ist, ist es dann auch der Kostenentscheid?

Revision vor der Revision?

Die GPK-N will allen Ernstes vor Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung noch schnell den geltenden Bundesstrafprozess revidieren, der ihr zu ineffizient ist. Aus der Berichterstattung des Tagesanzeiger:
Komplexe Fälle, die bis zu 1000 Bundesordner umfassten, kämen bei der Dossierübergabe nicht selten während Monaten zum Stillstand, bis die zweite Behörde sich eingearbeitet habe.
Dass es solche Fälle bei den Bundesstrafbehörden gibt, wage ich zu bezweifeln; falls es sie doch gibt, dann sollten sich die Zweifel wohl eher gegen die Effizienz der Strafverfolger richten, jedenfalls nicht primär gegen das Verfahrensrecht.

Der Medienmitteilung der GPK-N lässt sich übrigens entnehmen, dass der veranschlagte Zeitplan des EJPD, die neue Strafprozessordnung bis 2010 in Kraft zu setzen, als zu optimistisch eingeschätzt wird. Na dann ...

Donnerstag, März 30, 2006

Update: Umfassendere Überwachungsmöglichkeiten

Auch die NZZ berichtet ( s. hier und hier) über die Vorhaben des Bundesrats in Sachen Ausbau der Fernmeldeüberwachung ( s. meinen gestrigen Beitrag). Danach soll auch der Deliktskatalog nach Art. 3 BÜPF erweitert werden. Hier ein Zitat aus dem heutigen Beitrag:
Das UVEK wird zudem mit der Konferenz der kantonalen Strafverfolgungsbehörden die Entschädigungen überprüfen, welche an die Fernmeldedienstanbieter für ihre Dienstleistungen ausgerichtet werden. Ob mit höheren oder tieferen Kosten für die Telefonüberwachung zu rechnen ist, vermochte Wittwer nicht zu sagen.
Die Strafverfolgungsbehörden beklagen sich schon lange über die zu bezahlenden Entschädigungen an die Provider. Was gibt es denn da noch zu prüfen? Oder sollen die Provider mit höheren Entschädigungen gefügiger gemacht werden?

Exzessive Formstrenge in Luzern

Die I. Öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hebt einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern als willkürlich auf, das auf eine Appellation wegen verspäteten Erscheinens des Appellanten und seines Anwalts nicht eingetreten ist (BGE 1P.853/2005 vom 3.03.2006). Der pünktliche Beginn einer Gerichtsverhandlung biete Gewähr für einen ordentlichen Gang der Rechtspflege und sei auch zur Einhaltung des Beschleunigungsgebots (wenn nützlich wird es offenbar auch gegen den Beschuldigten angewendet) erforderlich. Diese Begründung konnte das Bundesgericht freilich nicht überzeugen:
Vorliegend hätte das Obergericht die Möglichkeit gehabt, die Appellationsverhandlung nach Ablauf der Respektviertelstunde abzubrechen und sich mit einer anderen Rechtssache zu befassen. Stattdessen nahm das Gericht mit dem Verteidiger telefonisch Kontakt auf, wartete, bis dieser und der Beschwerdeführer eintrafen, und führte darauf eine kontradiktorischeVerhandlung über die Verfahrensabschreibung durch. Unter diesen Umständen die Appellation wegen Nichterscheinens des Appellanten als dahingefallen zu erklären, ist durch keine schutzwürdigen Interessen gerechtfertigt. Anstelle der Durchführung einer kontradiktorischen Verhandlung über dieVerfahrensabschreibung hätte das Obergericht ohne weiteres sogleich die Appellationsverhandlung abhalten können. Der Gang der Rechtspflege wäre dadurch nicht gestört worden. Daher ist das Verbot des überspitzten Formalismus hier durch die Anwendung von § 242 Abs. 1 StPO/LU verletzt worden (E. 1.5).

"Gefunden" im Bancomaten

Laut einem heute ins Netz gestellten und zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheid (BGE 6S.358/2005 vom 17.03.2006) hat der Kassationshof ein Urteil der Neuenburger Justiz aufgehoben. Diese hatte den Beschwerdeführer, der 1,000.00 Euro aus einem Bancomat entwendet hat zu Unrecht wegen Diebstahls verurteilt. Der Beschwerdeführer behändigte Geld, welches die letzte Kundin am Bancomat wegen einer verzögerten Geldausgabe nicht an sich genommen hatte. Gemäss Bundesgericht liegt in dieser Konstellation ein Gewahrsamsbruch weder gegenüber der Kundin noch gegenüber der Bank vor. Den Bericht in der NZZ finden Sie hier.

Zürcher Polizeigesetz

In der SwissLawList läuft eine spannende, aber völlig einseitige, desillusionierte Diskussion zur Unschuldsvermutung und zur Besorgnis über den Abbau rechtsstaatlicher Prinzipien. Gibt es wirklich niemanden, der noch Vertrauen in den Rechtsstaat Schweiz hat?

Bei der Lektüre bin ich auf ein heute zu gründendes Komitee gegen das neue Polizeigesetz des Kantons Zürich gestossen. Vielsagend sind die dort verlinkten Vernehmlassungen der politischen Parteien, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: Je etablierter die Partei, je unkritischer die Stellungnahme. Nicht unlogisch, eigentlich.

Einzige Überraschung ist die Vernehmlassung der SVP, welche immerhin auf einen besseren Grundrechtsschutz pocht. CVP, FDP (das "F" stand einmal für etwas) und SP begrüssen den Entwurf mit mehr oder vielleicht etwas weniger Begeisterung. Substanz bietet die Vernehmlassung von DJS.

Dem Komitee wünsche ich viel Erfolg!

Mittwoch, März 29, 2006

BWIS I: Verordnung in der Vernehmlassung

Gemäss Medienmitteilung hat der Bundesrat die Verordnung zu BWIS I (Hooliganismus) bereits in die Vernehmlassung geschickt. Den Text habe ich leider nicht gefunden.

Umfassendere Überwachungsmöglichkeiten

Der Bundesrat teilt heute mit, den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit geben zu wollen,
auch neue Technologien, namentlich jene des Internets, umfassender überwachen zu können.
Das UVEK erhält den Auftrag, die technischen Voraussetzungen für die Überwachung der neuen Technologien zu schaffen bzw. zu verbessern. Kürzlich warnte BR Blocher noch vor flächendeckender Überwachung (s. dazu meinen früheren Beitrag), und schon kommt aus der Küche seines Kollegen Leuenberger ein weiterer Schub genau in diese Richtung. Ich zitiere nochmals Benjamin Franklin:
Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.

Kompensation von Strafmilderung und Strafschärfung

In einem heute im Internet publizierten Entscheid das hat Bundesgericht (BGE 6S.444/2004 vom 14. März 2006) eine Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen, mit der die Nichtberücksichtigung des Beschleunigungsgebots gerügt wurde. Der Beschwerdeführer machte geltend, die Strafreduktion, die sich aus derVerletzung des Beschleunigungsgebots ergebe, dürfe nicht wie andere Minderungs- und Milderungsgründe mit Erhöhungsgründen aufgewogen werden. Dem ist das Bundesgericht mit überzeugender Begründung nicht gefolgt:
Sein Einwand, eine Verletzung dieses Verfassungsgrundsatzes müsse effektiv sein, d.h. tatsächlich eine Wirkung zeitigen, was bei einer Kompensation nicht der Fall sei, geht fehl. Die Wirksamkeit zeigt sich in diesem Fall ja gerade in der Tatsache der Aufrechnung. Läge kein Reduktionsgrund wegen Verfahrensverzögerung vor, könnte die Kompensation nicht stattfinden. Dass Strafreduktionsgründe in gewissen Konstellationen nicht zur Festsetzung einer tieferen Strafe führen als im Fall ihres Fehlens, ist nicht eine Folge ihrer mangelnden Wirksamkeit, sondern - wie das Bundesgericht bereits dargelegt hat (BGE 116 IV 300 E.2c/dd S. 305) - unvermeidliche Konsequenz des Umstands, dass der Gesetzgeber eine absolute Höchststrafe vorsieht. Würde die Strafe vorliegend wegen der Verfahrensverzögerung reduziert, wäre der Beschwerdeführer bei der Strafzumessung besser gestellt als der Täter, der für einen einzigen Mord mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft wird, obwohl das Verschulden des Beschwerdeführers wegen des zweifachen Mordes und der versuchten Nötigung - auch unter Berücksichtigung der Verfahrensverzögerung - deutlich schwerer wiegt (E. 2).

Dienstag, März 28, 2006

Scalia befangen?

Der Ausflug von Richter Antonin Scalia an die Uni Fribourg anfangs März 2006 und seine dort gehaltene Rede wirft in den USA hohe Wellen. Im Fall Hamdan v. Rumsfeld, et al. (No. 05-184) haben nun fünf US-Generäle aD in einem Brief an den Supreme Court verlangt, Hamdan unter den Schutz der Genfer Konventionen zu stellen und Scalia aufgefordert, sich als befangen zu erklären. Als Grund geben sie nicht zuletzt die Äusserungen Scalia's in Fribourg an. Bei SCOTUSblog finden Sie mehr.

Videoüberwachung im Kanton Bern

Das Solothurner Tagblatt berichtet über die "Debatte" im Grossen Rat des Kantons Bern über vier Motionen zum Thema Videoüberwachung. Alle wurden mit grossem Mehr überwiesen. Eine Grossrätin stellte die (rhetorische) Frage:
Wir alle wollen Sicherheit – wer könnte da dagegen sein?

Montag, März 27, 2006

Bundesstrafgericht - neue Entscheide

Unter den neu ins Netz gestellten Urteilen finden sich zwei umfangreiche Sachurteile der Strafkammer (SK.2005.9 vom 28.11.2005 und SK.2005.10 vom 20.02.2006) sowie eine Reihe von wenig aufregenden Entscheiden der Beschwerdekammer.

Zu erwähnen ist ein Urteil vom 15.02.2006 (Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich c. Swissmedic, BV.2005.35): In einer Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Tötung gegen die Organe der Arzneimittelvertreiberin B. AG ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich um Zustellung eines Arzneimittelzulassungsentscheids mit der dazugehörenden Dokumentation. Dagegen wehrte sich Swissmedic mit eher bizarren Argumenten. Aus dem Urteil:
Schliesslich befasst sich das Heilmittelgesetz unter dem Abschnitt "Schweigepflicht und Datenbekanntgabe" in Art. 64 auch mit der internationalen Amtshilfe, wobei explizit vorgesehen ist, dass die Bestimmungen über die Rechtshilfe in Strafsachen vorbehalten bleiben (Art. 64 Abs. 6 HMG). Im Rahmen dieser Rechtshilfe unterstützen sich staatliche Stellen gegenseitig durch die Vornahme strafrechtlich geregelter Handlungen (BBl 1999 S. 3546). Es kann nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass internationale Rechtshilfe in Strafsachen gewährt werden kann, während der innerstaatlichen Rechtshilfe die Geheimhaltungsbestimmungen des Heilmittelgesetzes entgegenstehen sollen. Eine derartige Interpretation entspräche mitnichten dem Sinn und dem Zweck von Art. 352 StGB.

Samstag, März 25, 2006

Hausdurchsuchungen durch die Weko

Die Ausgabe 1/2006 von "Relevantes im Kartellrecht" ("relevant" ist eine Dienstleistung von Swisslex/Westlaw) berichtet über erste Hausdurchsuchungen nach schweizerischem Kartellrecht und empfiehlt, dass sich Unternehmen auf solche Hausdurchsuchungen vorbereiten. Die gesetzliche Grundlage findet sich in Art. 42 Abs. 2 KG bzw. für den vorliegenden Fall in Art. 42a KG).

Die Medienmitteilung der Weko finden Sie hier.

Update: Georgia v. Randolph

Eine Serie von Kommentaren aus der Blogosphäre zum Entscheid des U.S. Supreme Court (s. dazu meinen früheren Beitrag hat Ken Lammers auf CrimLaw zusammengestellt.

Freitag, März 24, 2006

Meldepflicht einmal anders

Gemäss einer Medienmitteilung der Aids-Hilfe Schweiz ist eine HIV-positive Frau zu 12 Monate Gefängnis wegen versuchten Verbreitens menschlicher Krankheiten verurteilt worden. Zudem sei ihr auferlegt worden, umgehend die Personalien sämtlicher Personen zu melden, mit denen sie sexuellen Kontakt pflegt, auch wenn dieser geschützt ist. Darüber ist die Aids-Hilfe Schweiz beunruhigt, und dies hoffentlich nicht nur, weil sie auf ihrer Website für Kondome wirbt.

NEE-Flüchtling freigesprochen

Der Gerichtspräsident von Solothurn-Lebern hat einen Asylsuchenden mit Nichteintretensentscheid vom Vorwurf des illegalen Aufenthalts mangels Vorsatz freisgesprochen, der mangels Papieren gar nicht ausreisen konnte. Die Staatsanwaltschaft ist froh darüber, dass sie keine formelle Fehler gemacht habe ( vgl. die Berichte im Regionaljournal AG/SO hier und hier - RealAudio).

Hängig sind noch Aufsichtsbeschwerden gegen solothurnische Behörden, welche in gleichartigen Fällen mehrfach strafrechtlich eingeschritten sein und die Nothilfe zur Deckung der Bussen und Kosten beschlagnahmt haben sollen.

Update: AT StGB steht

Den Text der Schlussabstimmung finden Sie hier. Zur Rechtslage in Deutschland s. die heutige Pressemitteilung des Budnesgerichtshofs:
Bundesgerichtshof hebt Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung auf.

Georgia v. Randolph

Scott Randolph wurde wegen Drogenbesitzes verhaftet, nachdem die Polizei in seiner Wohnung Kokain sichergestellt hatte. Die Polizei hatte keinen Durchsuchungsbefehl. Die Ehefrau von Randolph willigte in die Durchsuchung ein, während Randolph selbst, der ebenfalls anwesend war, opponierte.

Die Vorinstanzen waren der Auffassung, dass eine Durchsuchung ohne Durchsuchungsbefehl verfassungswidrig sei, wenn einer der Bewohner opponiert, selbst wenn ein anderer einwilligt. Dieser Auffassung hat sich auch der U.S. Supreme Court mit 5 zu 3 Stimmen angeschlossen (04-1067 vom 22.03.2006). Aus der Opinion von Justice John Paul Stevens:
Assuming that both spouses are competent, neither one is a master possessing the power to override the other's constitutional right to deny entry to their castle.
Der Entscheid ist stark einzelfallbezogen und beantwortet die Grundsatzfrage, ob der Widerspruch eines von mehreren Bewohnern genügt, wohl nicht.

Mittwoch, März 22, 2006

Update: Revision Allgemeiner Teil StGB

Der Ständerat hat die letzten Differenzen bei der Revision der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches (s. meinen früheren Beitrag) ohne Diskussion ausgeräumt (s. NZZ online).

Eine bedingte Strafe kann nun auch mit einer (unbedingten) Busse verbunden werden und die Anordnung der Verwahrung kann auch nach Verbüssung der Strafe angeordnet werden, und dies bei einem erweiterten Deliktskatalog. Damit folgt das Parlament insbesondere den Strafverfolgern, welche mit der ursprünglich vom Parlament verabschiedeten Version unzufrieden waren.

Dienstag, März 21, 2006

United States v. Grubbs

In einem heute ergangenen Entscheid hat der U.S. Supreme Court (No. 04-1414 vom 21.03.2006) mit fragwürdiger Begründung und 8:0 Stimmen entschieden, dass die Ausstellung vorsorglicher Durchsuchungsbefehle (anticipatory warrants / Durchsuchungsbefehle ohne hinreichenden Tatverdacht, ohne "probable cause") vor der Verfassung standhalte. Begründet wurde das Urteil ausgerechnet von Antonin Scalia, der sonst am Verfassungstext hängt wie kein anderer. Der Text (4th Amendment) lautet wie folgt:
The right of the people to be secure in their persons, houses, papers, and effects, against unreasonable searches and seizures, shall not be violated, and no Warrants shall issue, but upon probable cause, supported by Oath or affirmation, and particularly describing the place to be searched, and the persons or things to be seized.
Ein erster Kommentar von Crime & Federalism:
Whatever his reasons, this case is utterly bizarre. It's one of the most poorly reasoned and disingenuous judicial opinions I've seen in my lifetime. The next time someone proclaims the Power and Glory of Nino Scalia, I'm going to ask them to reconcile Grubbs with any understanding of textualism.

blawg.ch

Ein weiterer Blawg aus der Schweiz ist online. Aus dem Inhalt:
Inhaltlich kann hier alles erscheinen, was irgendwie mit (hauptsächlich schweizerischem) Recht zusammenhängt
Damit sind nun neben strafprozess ... folgende CH-Blawgs aktiv:

Montag, März 20, 2006

Anwaltspost auf Computerdiskette?

In einem Entscheid vom 02.03.2006 (BGE 1P.603/2005) ist das Bundesgericht auf eine Beschwerde eines Strafgefangenen nicht eingetreten, dem Anwaltspost in der Form einer Diskette nicht zugestellt worden war. Mangels Verlegung in eine andere Anstalt fehlte ihm das aktuelle praktische Interesse. Ein öffentliches Interesse an der Klärung einer Grundsatzfrage verneinte das Bundesgericht ebenso.

Samstag, März 18, 2006

Verwertung nach BÜPF-Zufallsfund auch ohne Tatverdacht

In einem zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheid vom 2. Februar 2006 (BGE 6S.46/2005) hat sich das Bundesgericht zu Fragen der Befangenheit einer Gutachterin, der Verwertung von Zufallsfunden gemäss Art. 9 BÜPF, des Tatbestands der Erpressung (Art. 156 StGB) sowie zum Versuch (Art. 21 f. StGB) geäussert:

Zur Befangenheit:
Der Umstand, dass Dr. C. die Gutachterin in anderem Zusammenhang den Untersuchungsbehörden als Expertin vorgeschlagen hatte, lässt sie im vorliegenden Verfahren nicht als befangen erscheinen. Gleiches gilt für die Tatsache, dass die Gutachterin zur Wahl als ausserordentliche Bezirksadjunktin von einer Expertenkommission vorgeschlagen wurde, in der auch Dr. C. Einsitz nahm. Ferner mag zutreffen, dass im Rahmen ihrer Tätigkeit als Supervisorin ein (fachärztliches) Vertrauensverhältnis zu Dr. C. entstanden ist. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass über das Berufliche hinaus eine besondere persönliche Verbundenheit bestünde, welche die Gefahr der Beeinflussung zu begründen vermöchte. Die einzelnen Vorbringen erwecken weder für sich allein noch zusammen berechtigte Zweifel an der fachlichen Objektivität und Unvoreingenommenheit von Dr. B. (E. 4.2.2).
Zum Zufallsfund (Bestätigung der wohl herrschenden Lehre):
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Verwertung von Zufallsfunden gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. b BÜPF nicht voraussetzt, dass bezüglich der neu entdeckten Straftaten bereits im Zeitpunkt der Überwachungsanordnung ein Tatverdacht bestanden hat (E. 6.5).
Zur Erpressung:
Auch bei einer impliziten Androhung muss zwar hinreichend klar sein, worin der in Aussicht gestellte Nachteil besteht. Wie die Vorinstanz aber zu Recht festhält, lassen sich die Äusserungen des Beschwerdeführers im Umfeld des Verbrechermilieus, vor dessen Hintergrund sich der konkrete Fall abspielt, nur dahin verstehen, dass er drohte, Gewalt anzuwenden, wenn sich der Geschädigte seinem Ansinnen weiterhin widersetzen sollte. [...]. Die Ankündigung war somit genügend konkret und von einem Ausmass, das auch die Willensfreiheit einer vernünftigen Person in der Lage des Betroffenen eingeschränkt hätte. Dass die in Aussicht gestellte Gewalt einen ernstlichen Nachteil darstellt, kann nicht fraglich sein (E. 7.3).
Zum Versuch:
Bei richtiger Betrachtung liegt deshalb in unvollendeter Versuch vor (Art. 21 Abs. 1 StGB). Gleichwohl führt dies nicht zur Aufhebung des obergerichtlichen Urteils. Da hier weder ein Rücktritt noch tätige Reue zur Diskussion stehen, bleibt die Unterscheidung zwischen unvollendetem und vollendetem Versuch ohne praktische Bedeutung. In einem solchen Fall ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid nicht beschwert (BGE 127 IV 97 E. 1) (E. 7.4.2)

Erfreulich grosszügig zeigte sich das Bundesgericht bei der Bemessung des Honorars des unentgeltlichen Rechtsbeistands: CHF 4,000.00.

Freitag, März 17, 2006

Anderthalb Jahre U-Haft ohne rechtskräftiges Urteil

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Haftbeschwerde wegen Verletzung des Beschleunigungsgebot gutgeheissen (2 BvR 170/06 vom 16.03.2006). Aus der Pressemitteilung:
Dass für Schreib- und Routinearbeiten in diesem Bereich mehr als sechs Wochen vergingen, ist kaum zu rechtfertigen. Die Organisation des Schreibdienstes und der Geschäftsstellen sowie des Aktentransports hat dem Beschleunigungsgebot ebenfalls Rechnung zu tragen. Es kann nicht hingenommen werden, dass die von Verfassungs wegen gebotene zügige richterliche Bearbeitung durch eine unzureichende Arbeitserledigung im nichtrichterlichen Bereich konterkariert wird.

Donnerstag, März 16, 2006

Update: Die Schweiz und die CIA

Aus einer Antwort des Bundesrats auf eine Anfrage von NR Banga (05.1181):
Der DAP kann Ein- und Ausreisen von Passagieren von Flugzeugen, die in der Schweiz starten oder landen, nur kontrollieren, wenn konkrete Anhaltspunkte das Vorliegen von staatsschutzrelevanten Sachverhalten vermuten lassen.
Also nochmals (s. meinen letzten Beitrag): Wieso hat der DAP, der für die innere Sicherheit der Schweiz zuständig ist, José Padilla observiert und befragt?

Die Schweiz und die CIA

Unter diesem Titel hat NR Josef Lang am 01.12.2005 eine Interpellation (05.3744) eingereicht, welche nun vom Bundesrat beantwortet wurde. Auf die Observation von José Padilla durch den DAP hält der Bundesrat folgendes fest:
José Padilla wurde anlässlich seiner Durchreise am 7. Mai 2002 im Transitbereich des Flughafens Zürich durch einen Bediensteten des DAP befragt. Danach konnte er sich im Transitbereich frei bewegen und unterstand keiner Beobachtung. Am 8. Mai 2002 reiste er entsprechend seiner Flugbuchung in die USA, sein Heimatland, weiter. Auf demselben Flug befand sich ein Angehöriger der US-Botschaft in Bern, der aber nicht Angehöriger des CIA war. Hierüber gab es keine Absprachen mit dem DAP. Es gab zu diesem Zeitpunkt keinen Haftbefehl gegen Padilla. Nach dem Wissensstand der Schweizer Behörden wurde Padilla bei seiner Einreise in die USA wegen eines Devisenvergehens inhaftiert. Später wurde seine Haft aufgrund eines Haftbefehles der zuständigen zivilen Strafverfolgungsbehörden von New York fortgeführt. Er wurde nach rund einem Monat an die US-Militärbehörden übergeben, die ihn als feindlichen Kämpfer in Guantanamo inhaftierten. Padilla wurde von der Schweiz weder rechtlich noch faktisch an die US-Behörden ausgeliefert. Er begab sich selbstständig in sein Heimatland. Es wäre abwegig zu verlangen, dass er von den Schweizer Behörden vor einer Weiterreise hätte gewarnt werden oder gar daran hätte gehindert werden müssen. Der Fall war nach der Inhaftierung Gegenstand der kriminalpolizeilichen Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den USA im Rahmen der Ermittlungen gegen den Terrorismus.
Kann mir jemand sagen, warum Padilla denn vom DAP observiert und befragt wurde? Er war auf der Durchreise und ein Haftbefehl bestand ebenso wenig wie ein Rechtshilfegesuch.

Dienstag, März 14, 2006

Keine Strafmilderung trotz Strafmilderungsgrund

Mit Urteil vom 01.03.2006 (BGE 6S.130/2005) hat das Bundesgericht eine Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen, mit der die Strafzumessung des Obergerichts des Kantons Zürich beanstandet wurde. Dieses hatte einen erstinstanzlichen Entscheid bestätigt, obwohl es neu den Strafmilderungsgrund des Beschleunigungsgebots gemäss Art. 64 StGB zu berücksichtigen hatte. Begründung: die erstinstanzliche Strafe war zu mild. Dazu das Bundesgericht (E. 3):
Indem sie unter diesen Umständen auf eine Herabsetzung der durch das Bezirksgericht ausgefällten Strafe verzichtet hat, obwohl neu eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes zu berücksichtigen war, hielt sie sich im Rahmen des ihr zustehenden weiten Ermessens.
Liegt eine reformatio in peius nicht auch dann vor, wenn die Rechtsmittelinstanz neue zwingende Strafmilderungsgründe nicht berücksichtigen muss?

Freitag, März 10, 2006

Update BWIS I: Null Respekt vor der Verfassung

Im Sinne der kürzlich hier prognostizierten typisch schweizerischen Lösung (die NZZ nannte es kürzlich eine pragmatische Lösung) haben die Eidgenössischen Räte die Differenzen zu BWIS I bereinigt. Das verfassungswidrige Gesetz wird mit einer Teilbefristung bis Ende 2009 (Polizeihaft, Rayonverbot, Meldepflicht) verabschiedet (vgl. dazu den Beitrag im Tagesanzeiger).

Teilerfolg für Peter Friederich

Mit Entscheid 6S.293/2005 vom 24.02.2006 hat das Bundesgericht das Urteil des Bundesstrafgerichts gegen Peter Friederich aufgehoben (s. dazu meine früheren Beiträge hier und hier). Das Bundesstrafgericht hat Bundesrecht verletzt, indem es teilweise den Urkundencharakter von gefälschten Dokumenten zu Unrecht bejaht hat (s. dazu die Rekation in der NZZ). Im Wesentliche ist der Entscheid der Vorinstanz aber bestätigt worden.

Mittwoch, März 08, 2006

Bundesanwaltschaft auf Umwegen

Deutlich weniger Aufwand als bei der im letzten Beitrag erwähnten Laienbeschwerde musste das Bundesgericht betreiben, um eine Beschwerde der Bundesanwaltschaft zu erledigen (BGE 1S. 52/2005 vom 22.02.2006) . Diese war vom Bundesstrafgericht angewiesen worden, umgehend ein Entsiegelungsverfahren einzuleiten (BB.2005.99). Statt dem einfach zu folgen, zog es die Bundesanwaltschaft vor, beim Bundesgericht die sofortige Entsiegelung zu beantragen. Dabei übersah sie freilich, dass der angefochtene Entscheid keine Zwangsmassnahme betraf (Art. 33 Abs. 3 SSG), womit auf die Beschwerde nicht einzutreten war. Jetzt wird die Bundesanwaltschaft halt doch das Entsiegelungsverfahren einleiten müssen, was ohnehin einfacher sein dürfte als eine Beschwerde ans Bundesgericht.

Headset als Sicherheitsproblem

Das Bundesgeicht hat mit aufwändiger Begründung die Beschwerde eines Häftlings abgewiesen, dem die Aushändigung eines Headsets (Kopfhörer und Mikrofon) für seinen Computer verweigert worden war (BGE 1P.831/2005 vom 20.02.2006). Aus der Begründung (E. 2.4):
Wenn die kantonalen Behörden argumentieren, es sei nicht ausgeschlossen, dass das kleine, transportable Mikrofon des Headsets in missbräuchlicher Art verwendet werde, etwa zur Abhörung von Gesprächen zwischen Mitarbeitenden der Strafanstalt oder zu unerwünschter Kommunikation mit anderen Insassen, ist dies durchaus nachvollziehbar. Wie das Amt für Justizvollzug im kantonalen Verfahren ausgeführt hat, lässt sich ein mobiles Mikrofon mit einfacher Manipulation an einen portablen Tonträger anschliessen (Kleingeräte für Musikkassetten, Disc-Man- und Mini-Disc-Geräte etc.), was wiederum die heimliche Aufnahme von Gesprächen ermöglichen kann (Vernehmlassung des Amtes für Justizvollzug vom 9. September 2005).
Dafür wurde der Häftling, der u.a. das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage gerügt hatte, von den Kosten befreit.

Dienstag, März 07, 2006

BWIS I: Null Respekt vor der Verfassung

Trotz gewichtiger Bedenken hat heute auch der Ständerat der Vorlage BWIS I (Kampf gegen den Hooliganismus) zugestimmt, und zwar mit 27:0 Stimmen. Dieses Ergebnis kam trotz der vom Bundesrat selbst und auch vom ehemaligen Bundesrichter und Ständerat Thomas Pfisterer erkannten Verfassungswidrigkeit einzelner Bestimmungen zustande. Dazu bemerkte Pfisterer gemäss NZZ, dass auch eine befristete Verfassungsverletzung eine Verfassungsverletzung sei. Dem wäre an sich nichts hinzuzufügen, wäre da nicht das einstimmige Abstimmungsergebnis, zu dem knapp die Hälfte des Rats beigetragen hat.

Nun wird es wohl zur typisch schweizerischen Lösung kommen: die verfassungswidrigen Bestimmungen werden zeitlich befristet und dann so lange verlängert, bis die Verfassung geändert ist. Es lebe der Rechtsstaat.

Säumiger Strafverteidiger?

Nachdem weder der Beschuldigte noch sein Verteidiger zur Hauptverhandlung erschienen waren, erkannte der Gerichtspräsident die Absenzen als unentschuldigt und schrieb das Verfahren als durch Rückzug der Einsprachen gegen zwei Strafbefehle erledigt ab. Diesee wurden somit rechtskräftig. Der Hauptverhandlung ging ein Briefwechsel zwischen dem Verteidiger und dem Gerichtspräsidenten voraus, weil der Verteidiger knapp drei Monate vor der Hauptverhandlung deren Verschiebung wegen einer Sitzung des Grossen Rates, dem er angehört, beantragte. Mit Urteil vom 17. Februar 2006 (1P.729/2005) hat das Bundesgericht das letzte Rechtsmittel gegen den Entscheid des Gerichtspräsidenten abgewiesen. Aus der Begründung:
In seinem Strafverfahren von doch eher bescheidener Tragweite hatte der Beschwerdeführer unter diesen Umständen keinen unbedingten Anspruch darauf, dass das Gericht den längst festgelegten Verhandlungstermin verschiebe, weil dieser dem neu zugezogenen Anwalt nicht passte. Nach der Ablehnung des in der Person von Rechtsanwalt Hollinger begründeten Verschiebungsgesuchs hatte der Beschwerdeführer noch rund 2 ½ Monate und damit ausreichend Zeit, einen anderen, am 28. Juni 2005 verfügbaren Anwalt mit seiner Interessenwahrung zu beauftragen und seine Verteidigungsrechte in vollem Umfang wahrzunehmen. Sind somit am 28. Juni 2005 sowohl der Beschwerdeführer als auch sein Anwalt unentschuldigt nicht zur Hauptverhandlung erschienen, ist nicht zu beanstanden, dass der Gerichtspräsident 3 die gesetzlichen Säumnisfolgen eintreten liess, und das Obergericht konnte dieses Vorgehen im angefochtenen Entscheid ohne Verfassungsverletzung schützen, die Rüge ist unbegründet (E. 2.5, Hervorhebungen durch mich).
Zu einem anderen Ergebnis kam das Bundesgeicht in BGE 127 I 213. Dort war eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 in Verbindung mit Ziff. 3 lit. c EMRK sowie eine Missachtung von Art. 29 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 32 Abs. 2 und Art. 29 Abs. 3 BV festgestellt worden, obwohl die Verteidigerin erschienen war. Es ging aber um eine unbedingte Freiheitsstrafe von 16 Monaten. Damit scheint das Bundesgericht die Bedeutung der Verteidigungsrechte von der Schwere des zu beurteilenden Straffalls abhängig zu machen, was zu begrüssen ist. Weniger überzeugend ist, dass eine Parlamentssitzung keinen Entschuldigungsgrund darstellen soll und dass der Beschuldigte damit gezwungen wird, seinen Verteidiger zu wechseln. Erklärbar ist dies alles nur, wenn man den ganzen Sachverhalt mit der Vorgeschichte liest.

Montag, März 06, 2006

Informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren

Wie bereits das Bundesverfassungsgericht (s. meinen früheren Beitrag) hat sich nun auch das Bundesgericht zu Fragen der informationellen Selbstbestimmung (Art. 13 Abs. 2 BV) im Rahmen von Strafverfahren äussern müssen. Die Begründung und das Ergebnis aus Lausanne (BGE 1P.841/2005 vom 17.02.2006) vermögen allerdings nicht so sehr zu überzeugen, v.a. wenn das Beschleunigungsgebot bemüht werden muss, um m.E. unnötige Informationen aus einem Strafverfahren Dritten gegenüber zu offenbaren:
Mit seinen Ausführungen verlangt der Beschwerdeführer sinngemäss, der Untersuchungsrichter hätte die Krankengeschichte jeweils gesamthaft herausverlangen und selbst nach Indizien für eine allfällige HIV-Übertragung durch den Beschwerdeführer forschen müssen. Diese Forderung geht mit Blick auf das Beschleunigungsgebot bei den Ermittlungen zu weit (E. 4.4.1).
Hat nun der Beschwerdeführer mehr verlangt als dass der Untersuchungsrichter seine Arbeit macht? Oder ist es nun Aufgabe der Ärzte zu ermitteln?

Sonntag, März 05, 2006

Update: V-Mann beim DAP?

Der offenbar vom DAP gegen das islamische Zentrum in Genf eingesetzte V-Mann (s. dazu meinen früheren Beitrag) beschäftigt nun auch die parlamentarische Kontrollinstanz (s. Art. 25 BWIS). In der SonntagsZeitung (Beitrag kostenpflichtig) wird der Präsident der GPDel, SR Hans Hofmann wie folgt zitiert:
Es muss abgeklärt werden, ob die Aktion legal war.
Ich schlage vor, die Abklärung zu sistieren, bis eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz von V-Leuten durch den DAP in Kraft ist. BWIS II (s. meine früheren Beiträge) sieht sie ja bereits vor.

Interessanter als die Ankündigungen von SR Hofmann ist übrigens ein Zitat des V-Manns, der durchaus Leute getroffen haben will, die in Genf Gotteskrieger für den Irak anwerben wollten:
Aber die meisten wurden später vom DAP als Mitarbeiter ausländischer Geheimdienste identifiziert.
Wird das auch untersucht?

Samstag, März 04, 2006

Verurteilung trotz Tatprovokation

Der ehemalige Stadtschreiber von Uster ist vom Obergericht de Kantons Zürich zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt worden (zur Vorgeschichte s. meinen früheren Beitrag). Gemäss NZZ hat das Obegericht zwar anerkannt, dass die Polizei tatprovozierend auf den Beschuldigten eingewirkt habe. Das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des Strafanspruchs sei aber weitaus höher zu gewichten als diejenigen des Stadtschreibers. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Diese Begründung berücksichtigt wie üblich nur beim Strafmass, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden eingesetzt wurden. Bei der Strafverfolgung scheint der Zweck der Mittel halt zu heiligen. Solange allein die Interessabwägung entscheidend ist, wird das auch so bleiben.

Freitag, März 03, 2006

Hausdurchsuchung bei einer Richterin

Eine deutsche Richtein wendet sich erfolgreich gegen die Anordnung der Durchsuchung ihrer Wohnung wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen. Die Durchsuchung diente dazu, Kommunikationsverbindungsdaten auf dem Personalcomputer und dem Mobiltelefon der Beschwerdeführerin zu ermitteln, die einen Nachweis für Kontakte mit einem Reporter hätten ergeben können.

Mit Urteil vom 2.3.2006 (BVerfG, 2 BvR 2099/04) stellte das Gericht fest, dass die Ausstellung des Durchsuchungsbefehls unverhältnismässig war. Aus der Pressemitteilung:
Der gegen die Beschwerdeführerin bestehende Tatverdacht war allenfalls als äußerst gering zu bewerten und vermochte keinesfalls die vorgenommenen schwerwiegenden Eingriffe in die Grundrechte der Beschwerdeführerin zu rechtfertigen. Das geringe Gewicht des Tatverdachts folgt bereits aus der Vielzahl von Personen, die für die fragliche Weitergabe der Informationen in Betracht kamen. Einige von ihnen wurden allein aufgrund eigener Bekundungen als Verdächtige ausgeschlossen, andere wurden überhaupt nicht in die Betrachtung einbezogen. Auch die Geeignetheit der Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln war von vorneherein zweifelhaft. Im Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung waren bereits fast fünf Monate seit der mutmaßlichen Tat vergangen. Der fragliche Tatverdacht und die erheblichen Zweifel an der Geeignetheit der Durchsuchung stehen außer Verhältnis zu dem Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Recht der Beschwerdeführerin auf informationelle Selbstbestimmung. Das Landgericht hätte von Verfassungs wegen von der Anordnung absehen müssen.