Samstag, April 28, 2007

Update: Kolumnist c. Kolumnist

Zumindest der strafrechtliche Teil des eher peinlich anmutenden Affärchen zwischen zwei mässig begabten Kolumnisten (s. meinen früheren Beitrag) ist wohl erledigt, bevor er begonnen hat. Laut NZZ und Tages-Anzeiger hat die Rechtskommission des Nationalrats beschlossen, die Abweisung des Gesuchs des Bezirksgerichts Zürich um Aufhebung der parlamentarischen Immunität Mörgelis zu beantragen. Aus dem Beitrag des Tagi:
Die Mehrheit der Kommission für Rechtsfragen ist laut Mitteilung der Auffassung, dass ein Zusammenhang zwischen den Äusserungen und Mörgelis «amtlicher Stellung oder Tätigkeit» besteht. Mit elf zu sechs Stimmen beschloss sie deshalb, auf das Gesuch um Aufhebung der parlamentarischen Immunität einzutreten. Mörgeli würde nicht für die Weltwoche schreiben, wenn er nicht Nationalrat wäre. Eine Minderheit der Kommission war hingegen der Ansicht, die Aussagen von Mörgeli stünden in keinem Zusammenhang zu seinem Parlamentsmandat.
In der Sache entschied die RK-N dann aber einstimmig gegen die Aufhebung der Immunität. Sie liess es sich nicht nehmen, in die Begründung auch eine strafrechtliche Würdigung einfliessen zu lassen. Aus der Medienmitteilung der RK-N:
Die Kommission beantragt ohne Gegenstimme, die Immunität nicht aufzuheben, da zwischen öffentlichen Personen mit unterschiedlichen Ansichten eine rege Auseinandersetzung zulässig sei. Im Übrigen habe Nationalrat Mörgeli Frank A. Meyer nicht als Nazi bezeichnet, sondern ihm nur vorgeworfen, Nazi-Vokabular zu verwenden. Unter diesen Voraussetzungen steht das Interesse an einer Strafverfolgung nicht über demjenigen eines ungehinderten Ratsbetriebs.
Für Meyer - seine Freunde nennen ihn FAM - ist es freilich bereits ehrverletzend, öffentlich zu behaupten, er verwende Nazi-Vokabular. Ob die Behauptung wahr ist oder nicht dürfte Meyer kaum interessieren. Sowas behauptet man einfach nicht. Nicht gegenüber Meyer. Frechheit!

Freitag, April 27, 2007

Fragwürdiger Anwaltsausschluss

Das Bundesstrafgericht (I. Beschwerdekammer) hat mit Urteil vom 12.04.2007 (BB.2006.131) eine Verfügung der Bundesanwaltschaft bestätigt, mit der ein Anwalt von der privaten Verteidigung seines Mandanten wegen Verletzung der Berufspflichten ausgeschlossen wurde. Der Entscheid enthält einen theoretischen Teil, der kaum überzeugt, und einen durchaus eindrücklichen praktischen Teil, der mögliche Interessenkonflikte des Anwalts - teils mit dem Anwaltsgeheimnis unterliegenden Korrespondenz - klar bennent. Aus den theoretischen Erwägungen:
Ein verbotener Interessenkonflikt liegt vor, wenn der Anwalt die Wahrung der Interessen eines Klienten übernommen hat, und dabei Entscheidungen zu treffen hat, mit denen er sich potentiell in Konflikt zu eigenen oder anderen ihm zur Wahrung übertragenen Interessen begibt. Untersagt ist nicht nur die Vertretung der Interessen eines Klienten, die denjenigen eines anderen Mandanten direkt entgegenstehen. Der Anwalt darf auch keinen Dritten vertreten, dessen Interessen diejenigen des Klienten in irgendeiner Weise beeinträchtigen könnten (FELLMANN, in: Fellmann/Zindel [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, Zürich 2005, N. 84 zu Art. 12 BGFA). In zeitlicher Hinsicht gilt der Grundsatz, dass der Anwalt nach Beendigung eines Auftragsverhältnisses gegen einen ehemaligen Klienten ein Mandat nur annehmen kann, wenn dieses mit dem seinerzeitigen Auftrag in keinem Zusammenhang steht (STUDER, Neue Entwicklungen im Anwaltsrecht, in: SJZ 100 [2004] S. 229, 235). Je enger der Zusammenhang des neuen Mandats mit dem abgeschlossenen Auftrag ist, desto eher muss der Anwalt mit der Möglichkeit der Verwertung von Kenntnissen aus dem abgeschlossenen Mandat rechnen (FELLMANN, a.a.O., N. 109 zu Art. 12 BGFA). Im Strafprozess ist es grundsätzlich ausgeschlossen, dass ein Anwalt im gleichen Verfahren zwei oder gar mehrere Angeschuldigte vertritt, da eine Doppelvertretung bei objektiver Betrachtung stets die Möglichkeit eines Interessenkonflikts in sich birgt. Das Bestehen eines Interessenkonflikts ist in abstrakter Weise zu evaluieren. In dieser Hinsicht genügt die theoretische Möglichkeit, dass sich ein Interessenkonflikt im Verlauf des Verfahrens verwirklicht. Die allfällige Zustimmung des Klienten zur Doppelvertretung ändert daran nichts (TPF BK_B 163/04 vom 7. Februar 2005 E. 5, TPF BK_B 109/04 und 110/04 vom 18. August 2004 E. 3.1 je m.w.H.; Pra 87 [1998] Nr. 98 E. 3.c). (E. 3, Hervorhebungen durch mich).

Dazu folgende Bemerkungen:

  1. Die Ausführungen über die anwaltlichen Pflichten sind wohl zutreffend, auch wenn die bloss abstrakte Gefahr einer Interessenkollision ja eigentlich niemals ausgeschlossen werden kann. Eine zu strenge Praxis führte daher letztlich zum Ausschluss privater Verteidiger.
  2. Was im zitierten Entscheid völlig ausgeblendet blieb ist die Frage, ob der Bundesanwalt einen privat bestellten Verteidiger wegverfügen darf (eine gesetzliche Grundlage wäre mir jedenfalls nicht bekannt) und ob es Aufgabe der Staatsanwälte ist, die Einhaltung der Berufspflichten ihrer "Gegenanwälte" zu überwachen, was gross in Mode zu kommen scheint. Faktisch hiesse das doch nichts anderes, als dass die Strafverfolger Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte spielten. Das hat mit einem waffengleichen Verfahren nun aber herzlich wenig zu tun.
  3. Richtig wäre m.E. folgender Ansatz, jedenfalls bei der nicht notwendigen Verteidigung: Gerät ein Anwalt unter begründeten Verdacht, Berufspflichten zu verletzen, ist die Aufsichtsbhörde zu orientieren. Diese hat alsdann darüber zu entscheiden. Erst ein Entscheid der Aufsichtsbehörde und eine entsprechende gesetzliche Grundlage berechtigt die Staatsanwaltschaft, einen privaten Verteidiger auszuschliessen. Bis zum Entscheid ist dem Beschuldigten ein amtlicher Verteidiger zu bestellen.

Mittwoch, April 25, 2007

Online Durchsuchungen

An dieser Stelle möchte ich auf einen Aufsatz von Ulf Buermeyer*, der in der Ausgabe April 2007 der Online-Zeitschrift HRRS erschienen ist:
Die "Online-Durchsuchung". Technischer Hintergrund des verdeckten hoheitlichen Zugriffs auf Computersysteme.
*Der Verfasser ist Redakteur der HRRS und Richter in Berlin, wo er am Amtsgericht Tiergarten als Strafrichter und Ermittlungsrichter tätig ist. An der Universität Leipzig arbeitete er von 1999 bis 2003 als Netzwerk-Administrator in einer gemischten Windows-Linux-Umgebung.

"Ich finde die Strafe zu streng"

Dieser Satz genügt gemäss einem heute online gestellten Urteil des Bundesgerichts (1P.69/2007 vom 12.04.2007) den gesetzlichen Begründungsanforderungen einer Berufung nach § 414 Abs. 4 StPO/ZH gegen die Strafzumessung. Das Obergericht des Kantons Zürich verfiel gemäss Bundesgericht in Willkür, indem es von einem Berufungskläger mehr verlangt hatte:
Demgegenüber verlangt das Obergericht im Rahmen von Beanstandungen die Angabe der einzelnen Gesichtspunkte für die Strafzumessung, die nach Meinung des Berufungsklägers falsch gewichtet bzw. nicht berücksichtigt worden sein sollen. Mit anderen Worten fordert es eine Aussage in der Art einer Liste von Strafmilderungsgründen. Das Gebot einer derartigen argumentativen Festlegung kommt einem strengen Rügeprinzip nahe. Dies erweist sich als etwas grundlegend anderes als der vom Gesetzgeber angestrebte Grobraster pauschaler Rügen. Das Obergericht bringt zum Ausdruck, die Gesetzesrevision erziele keine prozessökonomischen Auswirkungen, sofern es sich mit einer Aussage in der Art von Beispiel 3 begnügen müsste. Es trifft zu, dass die Arbeitsentlastung des Obergerichts ein gesetzgeberisches Anliegen war; immerhin sollte eine solche nur in einem beschränkten Umfang eintreten. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine Pflicht zur Begründung bzw. Kurzbegründung der Berufungserklärung eingeführt hätte, wenn er das Anliegen des Obergerichts hätte umsetzen wollen; dafür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte. Das Obergericht überschreitet seinen Entscheidungsspielraum, wenn es der Beanstandungspflicht einen eigenen, ungleich strengeren Massstab zugrunde legt, als vom Gesetzgeber vorgegeben wurde. Somit hält es nicht vor dem Willkürverbot stand, eine Aussage in der Art von Beispiel 3 als mangelhaft bzw. ungültig einzustufen (E. 3.6).

Dienstag, April 24, 2007

CIA-Fax-Affäre: Nicht ungerechtfertigte Telefonüberwachungen

In der CIA-Fax-Affäre (s. den letzten Beitrag) ermittelt die "Militärjustiz" bekanntlich auch gegen die möglichen Quellen der Geheimnisverletzung, die keine war. Zwei der Betroffenen in diesem zweiten Prozess haben sich nun laut Tages-Anzeiger erfolglos gegen die Überwachung ihrer Telefonanschlüse beschwert. Die Abhöraktionen seien gemäss dem Urteil des Militärkassationsgerichts "nicht ungerechtfertigt" gewesen.

An dieser Stelle möchte ich auf die VBS-Website "Werden Sie Richterin / Richter an einem Militärgericht" aufmerksam machen. Melden Sie sich, Sie schaffen das, denn
Eine juristische Ausbildung ist nicht notwendig aber auch kein Hindernis.

Polizeiberuf als Straferhöhungsgrund?

Laut Tages-Anzeiger ist ein Polizeibeamter vom Bezirksgericht Zürich zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu CHF 100.00 und zu einer Busse von CHF 5,000.00 verurteilt worden. Er hatte in seiner Freizeit einer Kellnerin das Nasenbein gebrochen. Aus dem Tagi-Beitrag:
In seinem heute eröffneten Urteil stufte das Bezirksgericht Zürich das Verschulden des heute 31-jährigen Angeklagten als sehr erheblich ein. Stark verschuldenserhöhend fiel laut Urteil ins Gewicht, dass der Angeschuldigte von Beruf Polizist ist. Ein Polizeibeamter habe in der Gesellschaft eine gewisse Vorbildfunktion und dürfe sich deshalb auch als Privatperson und auch wenn er angetrunken sei nicht zu einer Tat hinreissen lassen, wie die vom Angeklagten begangene, ist dem schriftlich begründeten Entscheid zu entnehmen (Hervorhebungen durch mich).
Wie dem Bericht weiter zu entnehmen ist, hat sich das "Problem" für die Stadtpolizei Zürich auf die im öffentlichen Dienst doch ab und zu anzutreffende Art gelöst:
Der Angeklagte hat inzwischen seinen Dienst bei der Stadtpolizei Zürich quittiert und tritt ab April 2007 eine polizeiliche Kaderstelle in einem anderen Kanton an.

Montag, April 23, 2007

Luftkampfprozess in Bellinzona

Heute hat vor dem Einzelrichter des Bundesstrafgerichts in Bellinzona eine Hauptverhandlung stattgefunden, bei der gemäss Verhandlungsplan folgende Anklage der Bundesanwaltschaft zu beurteilen war:
Dem Angeklagten J.D. wird vorgeworfen, im Sommer 2003 während eines Gleitschirmfluges oberhalb von V. den Flug von P.C. während fast einer Viertelstunde gestört zu haben, indem er ihn mehrmals streifte und ihn zwang seine Flugbahn zu ändern und somit vorsätzlich den öffentlichen Verkehr in der Luft gehindert, gestört oder gefährdet zu haben und dadurch wissentlich Leib und Leben von P.C. in Gefahr gebracht zu haben.
Subsumiert wurde dieser Sachverhalt unter folgende Tatbestände:
Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 StGB), Nötigung, Tätlichkeiten, Beschimpfungen und Gefährdung des Lebens.
Von der Tatzeit bis zur erstinstanzlichen Beurteilung dieses wohl nicht sehr komplexen Falles vergingen somit knapp vier Jahre. Mehr dazu im Tages-Anzeiger.

Freitag, April 20, 2007

Behring bläst zum Gegenangriff

Nachdem sich Dieter Behring bisher darauf konzentriert hatte, seine Verteidigung in den Medien zu betreiben, hat er nun offenbar zum Gegenangriff geblasen. Laut einem Artikel im Tages-Anzeiger hat er Strafanzeige wegen Urkundenfälschung eingereicht. Die Anzeige soll sich gegen einen Beamten der Bundeskriminalpolizei, einen Bundesanwalt (recte wohl gegen einen Staatsanwalt des Bundes) und unbekannte Täterschaft richten.

Kurze Prognose gefällig? Das Verfahren gegen die Strafverfolger wird natürlich eingeleitet, denn man nimmt Vorwürfe gegen Strafverfolgungsbehörden sehr ernst in unserem Rechtsstaat. Es wird sich aber sehr rasch zeigen, dass strafbare Handlungen nicht belegt werden können, womit das Verfahren dann mit einem rechtsstaatlichen Aufatmer wieder eingestellt wird. Dann aber stellt sich die Frage, ob nicht die Strafanzeige selbst eine strafbare Handlung darstellen könnte. Dies wird man dann in einem neuerlichen Verfahren prüfen, u.a. mit der Folge, dass alle Beteiligten - mit Ausnahme des armen Behring - aus dem Verfahren ausscheiden werden. Nach ca. zwei Jahren werden sich ein neuer Staatsanwalt und neue Verteidiger ins Dossier eingearbeitet haben, womit dann die ursprüngliche Untersuchung gegen Dieter Behring weitergeführt und kurz vor Eintritt der Verjährung nach Bellinzona überwiesen werden kann.

Donnerstag, April 19, 2007

plaedoyer.ch

Die Zeitschrift plädoyer bietet neu ein frei zugängliches Online-Forum an, in dem aktuelle Fragen diskutiert werden können. Im Moment sind folgende Themen aufgeschaltet:Ich wünsche dem Forum einen guten Start, viele kritische Teilnehmer und interessante Diskussionen.

Kolumnist c. Kolumnist

Kurz nachdem drei Blick-Journalisten von einem Militärgericht freigesprochen wurden (s. zuletzt hier), berichten die Medien über die nächste Justizposse, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Sonntags-Blick-Kolumnist Frank A. Meyer verlangt von seinem Weltwoche-Kollegen Christoph Mörgeli gemäss Tages-Anzeiger eine Genugtuung von CHF 10,000.00 und, dass Mörgelis Artikel nicht mehr im Internet oder in anderen Datenbanken zugänglich sei. Offenbar läuft in dieser Angelegenheit auch eine Strafuntersuchung gegen Mörgeli, was aber noch nicht gesichert ist.

Quellen: Tages-Anzeiger, NZZ.

Folgen: Dass Meyer die Erfüllung seiner Forderung mit seiner bizarren Gegenforderung gleich selbst unmöglich macht, zeigen etwa folgende Google-Treffer, die Meyer bestimmt auch Google (und bitte auch mich - ich will auch berühmt werden) ins Visier seiner ach so gekränkten Seele nehmen wird:

Dienstag, April 17, 2007

CIA-Fax-Affäre: Freisprüche

Die drei Journalisten sind heute vom Militärgericht 6 freigesprochen worden. Die Verfahrenskosten gehen zu Lasten der Bundeskasse, die Angeklagten erhalten eine Entschädigung von CHF 20,000.00. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig:

vgl. meine früheren Beiträge hier und hier.

Samstag, April 14, 2007

Polizei will Justiz in die Pflicht nehmen

Der offenbar desillusionierte Präsident der Polizeigewerkschaft stellt sein Konzept des Rechtsstaats der Neuen Luzerner Zeitung vor (vgl. die zugänglicheren Beiträge in Tages-Anzeiger und NZZ), das vielen Politikern gefallen dürfte. Hier ein paar Ausschnitte aus TA und NZZ mit meinen Klammerbemerkungen:
  • Lebenslange Stadien- und Rayonverbote, Heimspiele ohne Zuschauer: Der oberste Schweizer Polizeigewerkschafter fordert eine harte Hand, um der Gewalt rund um Fussballstadien Herr zu werden. (letztlich hilft nur eins: Keine Zuschauer in der Nähe der Stadien)
  • «Ich befürchte eher, dass es in den Fanmeilen bei den Public-Viewing-Veranstaltungen zu Problemen kommen kann». (Ja genau, die müssen verboten werden. Und bitte nicht auf halbem Weg Halt machen: Weg mit den privaten TV-Geräten! Dort haben wir ja noch immer keine volle Kontrolle)
  • Zwar spreche die Justiz Urteile aus, die mehr seien als nichts. Doch letztlich blieben diese wirkungslos. (mehr als nichts ist nicht genug. Weg mit der Justiz!)
  • «Jetzt können dann sogar Bussen auf Bewährung ausgesprochen werden. Das bringt doch alles rein gar nichts.» (dafür ist die Leigslative verantwortlich. Weg mit ihr!)
  • Buttauer sieht sich und seine Polizisten von der Justiz allein gelassen: «Wir können ja machen, was wir wollen, es ist nie recht.» (ja dann macht doch mal was ihr machen müsst und nicht was ihr machen wollt)

Samstags-Quiz

Aus einer Stellenausschreibung des eidg. Personalamts:
Sie sind eine starke, belastbare Person mit ausgewiesenen Führungseigenschaften. Ihre hohe juristische Qualifikation, ihr Durchsetzungsvermögen und ihr Verhandlungsgeschick zeichnen Sie aus. Sie verfügen über profunde Kenntnisse der rechts- und gesellschaftspolitischen Zusammenhänge sowie Sensibilität für das politische Umfeld. Sie kommunizieren in mindestens zwei Amtssprachen und in Englisch und sind bereit, in jeder Beziehung überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen.
Dazu folgende Quizfragen ...
  1. Um welche Stelle handelt es sich?
  2. Warum sollte sich jemand, der überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen bereit ist, für diese Stelle bewerben?
... und Lösungshinweise:
  1. s. die Stellenausschreibung.
  2. vielleicht weil es sich um die einzige Stelle handelt, für die bloss Leistungsbereitschaft erwartet wird?

Donnerstag, April 12, 2007

Reaktionen auf einen Freispruch

Was nach dem gestrigen Freispruch von Werner Ferrari bereits alles geschrieben wurde, ist kaum zu fassen. Besonders stolz darf eine Kommentatorin der Solothurner Zeitung sein. die in der heutigen Ausgabe folgendes zum Besten gibt:
Nein, als Irrtum kann das damalige Urteil nicht bezeichnet werden, denn sonst
müsste die wahre Täterschaft bewiesen sein.

Menschenhandelskurs

Das fedpol teilt mit, dass nächste Woche erstmals ein "nationaler Kurs" für die Polizei zur Bekämpfung des Menschenhandels durchgeführt wird. Der Kurs soll Fachwissen für eine "erfolgreiche Strafverfolgung" und eine Verbesserung des Opferschutzes vermitteln. Aus der Medienmitteilung (die Klammerbemerkungen stammen nicht vom fedpol):
Bei der Bekämpfung des Menschenhandels ist es zentral, Opfer überhaupt identifizieren und für Zeugenaussagen gewinnen zu können (die Ausschaffungshaft soll sehr motivierend wirken). In dem Kurs werden Referentinnen und Referenten von staatlichen Stellen und Nichtregierungsorganisationen (Anwaltskollektiv?) den Teilnehmerinnen und Teilnehmern das nötige Handwerkszeug (neues Schliesszeug?) vermitteln. So werden etwa die neuen rechtlichen Grundlagen, Ermittlungsmethoden, die Zusammenarbeit mit den Opfern (im UG) sowie die Möglichkeiten des Aufenthalts in der Schweiz (eben, UG) und der Rückkehr (bzw. Ausschaffung) in das Herkunftsland beleuchtet. Zusammen mit ausländischen Polizeiangehörigen werden die Wege (Telefon und eMail sollen sehr beliebt sein) der nationalen und internationalen Zusammenarbeit erörtert. Konkrete Fallbeispiele und praktische Übungen (?) werden die Theorie vertiefen.
Die Rechte der Beschuldigten sind anscheinend kein Thema, obwohl sie ja wohl gerade im Bereich Menschenhandel für eine "erfolgreiche Strafverfolgung" zentral wären.

Einfach damit keine Missverständnisse aufkommen: Auch (oder gerade) Strafverteidiger sind daran interessiert, dass Menschenhändler strafrechtlich verfolgt werden. Bisher scheiterte der Staat allerdings an sich selbst, indem die Verwaltung der Justiz die Opferzeugen wegschnappte, was dann im Ergebnis dazu führte, dass nur die Opfer bestraft wurden.

Mittwoch, April 11, 2007

Legal downloaden

Die Stiftung für Konsumentenschutz hat ein lesenswertes Merkblatt online gestellt, das unter dem Titel Handlungshilfe «CDs brennen und Tauschbörsen» die aktuelle Rechtslage darstellt. Für die Downloads gilt danach folgendes:
Für Sie als Konsument ist die Rechtslage klar. Denn die überwiegende Mehrheit der Juristen im Gebiet des Urheberrechts geht davon aus, dass der Konsument gratis Musik und Filme aus dem Internet downloaden darf. Unabhängig davon, ob es sich um legale Angebote oder um illegale Tauschbörsen handelt. Denn, so die Juristen, es könne nicht Ihnen als Konsument zugemutet werden, aus der Vielfalt von legalen und illegalen Angeboten zu unterscheiden. Ein Gerichtsurteil gibt es noch nicht, da es noch zu keinem Klageverfahren gekommen ist. Vermutlich schätzt auch der Verband der Unterhaltungsindustrie IFPI die Chancen als gering ein.

Das neue Urheberrechtsgesetz ändert nichts daran.
Demgegenüber behauptet IFPI Schweiz nach wie vor folgendes:
Es ist leider ein weit verbreiteter Irrtum, dass der Download einer illegal angebotenen Musikdatei zulässig sei. Es wird zwar häufig auf Art. 19 Abs. 1 des Gesetzes über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte (URG) hingewiesen. Dabei wird jedoch folgendes übersehen: Es ist zwar gestattet, zum eigenen privaten Gebrauch eine Kopie eines Werkes (z.B. eines Musiktitels) herzustellen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die "Kopiervorlage" rechtmässig erlangt ist. Mit anderen Worten: Was illegal angeboten wird, kann nicht rechtmässig kopiert werden, selbst wenn die Kopie für den privaten Gebrauch bestimmt ist.

Man kann es auch mit folgendem Beispiel erläutern: Es ist natürlich zulässig, sich eine CD zu kaufen. Unzulässig ist der Kauf aber dann, wenn die CD zuvor gestohlen wurde. So ähnlich ist das mit illegalen Angeboten im Internet: Man darf natürlich Musikfiles herunterladen, die (beispielsweise vom Hersteller selbst) rechtmässig angeboten werden. Erfolgt das Angebot aber ohne Einwilligung der Rechteinhaber (wie heute noch auf den meisten Sites), so ist der Erwerb (das Herunterladen) der Musikdateien illegal.

Dienstag, April 10, 2007

Rein prozesstaktische Zahlungen an das Opfer?

Unter den heute ins Netz gestellten neuen Urteilen des Bundesgerichts (72 Stück!) befindet sich eine ganze Reihe von strafrechtlichen und strafprozessualen Entscheiden. Die Beschwerdeführer blieben in der Regel erfolglos. Erfolgreich war (schon wieder) eine Strafzumessungsbeschwerde, gegen ein Urteil des Zürcher Obergerichts. In 6S.99/2006 vom 30.03.2007 beanstandet das Bundesgericht eine unzureichende Strafzumessungsbegründung. Bereits das Kassationsgericht des Kantons Zürich hatte eine Beschwerde teilweise gutgeheissen:
Das Kassationsgericht ordnete an, dass folgende Passage aus dem obergerichtlichen Urteil (...) zu streichen sei: "... trotz aller positiven Aspekte dürfte die Tatsache, dass die Zahlungen kurze Zeit vor der heutigen Berufungsverhandlung erfolgten, wohl ihren Ursprung eher in der Prozesstaktik als in einer tieferen Einsicht haben".
Nicht klar genug war dem Bundesgericht, warum die Vorinstanz die Zahlungen des Täters an das Opfer nur strafmindernd und nicht strafmildernd berücksichtigt hat:
Nach der Kassierung der Urteilspassage, wonach die Schadensbegleichung prozesstaktischen Überlegungen entsprungen sei, fehlt eine Begründung dafür, weshalb die Zahlungen nur nach Art. 63 strafminderndund nicht auch nach Art. 64 Abs. 5 StGB strafmildernd berücksichtigt wurden. Die Vorinstanz wird somit in ihrer neuerlichen Befassung die Opferentschädigung entweder im Sinne von Art. 64 Abs. 5 StGB strafmildernd zu berücksichtigen, oder eingehend zu begründen haben, weshalb sie trotz dieser Zahlung die aufrichtige Reue verneinen (E. 5.2, Hervorhebungen durch mich).

CIA-Fax-Affäre: Gerichtsverhandlung am 17. April

Gemäss heutiger Medienmitteilung findet die (nun grundsätzlich doch öffentliche) Hauptverhandlung gegen die beiden Blick-Journalisten heute in einer Woche vor Militärgericht 6 in St. Gallen statt.

s. a. meinen letzten Beitrag.

Samstag, April 07, 2007

Strafverfügung als verjährungsrechtliches Urteil

In einem zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheid (6S.555/2006 vom 23.03.2007) hatte das Bundesgericht über zwei strittige Fragen zu entscheiden, die es zu Ungunsten des Beschwerdeführers beantwortet bzw. offen gelassen hat.

In Bezug auf die Verjährung stellte sich die Frage, ob eine angefochtene Strafverfügung nach Art. 70 VStR einem erstinstanzlichen Urteil (Art. 97 Abs. 3 StGB) gleichzustellen sei:
Während der Erlass eines Strafbescheids (Art. 64 VStrR) somit Parallelen zu einem Strafmandat (Strafbefehl) aufweist, ist die Strafverfügung (Art. 70 VStrR) nach dem Gesagten im Ergebnis einem gerichtlichen Entscheid gleichzustellen und demnach unter den Begriff des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von Art. 70 Abs. 3 StGB zu subsumieren. Folgerichtig ist auch eine im Einziehungsverfahren erlassene Einziehungsverfügung der Verwaltung nach Art. 70 VStrR als erstinstanzliches Urteil gemäss Art. 70 Abs. 3 StGB zu qualifizieren.
Gemeint ist Art. 70 Abs. 3 aStGB. Für das geltende Recht ändert sich daran aber nichts (Art. 97 Abs. 3 StGB). Eine Verfügung der Verwaltung einem Gerichtsurteil gleichzusetzen wird hoffentlich von der Lehre nicht ohne Widerspruch aufgenommen werden.

Weiter war zu klären, ob bei der Einziehung einer Ersatzforderung das Brutto- oder das Nettoprinzip anzuwenden sei. Die Vorinstanz wendete eine Art gemässigtes Bruttoprinzip an. Das Bundesgericht legte sich nicht fest und beschränkte sich auf folgende Zusammenfassung von Lehre und Rechtsprechung:
Das Bundesgericht tendiert unter Berufung auf die ratio legis von Art.59 StGB zum Bruttoprinzip und betont, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gestehungskosten abgezogen werden könnten (vgl. BGE 123 IV 70 E. 3; 119 IV 17 E. 2a; 109 IV 121 E. 2b; 105 IV 21; 103 IV 142, je mit Hinweisen). Allerdings verdient nach der Rechtsprechung auch das Kriterium der Verhältnismässigkeit Beachtung - mit der Konsequenz, dass im Einzelfall die Abwendung vom reinen Bruttoprinzip geboten erscheinen kann (BGE 124 I 6 E. 4b/cc). Ausgehend von diesem Präjudiz wird in der Doktrin von jeglichem Schematismus abgeraten und dafür eingetreten, einzelfallbezogen zu prüfen, ob die Abschöpfung des gesamten Bruttoerlöses der strafbaren Handlung vor dem Verhältnismässigkeitsprinzip standhält (Florian Baumann, Basler Kommentar, StGB I, Basel 2003, Art. 59 N. 32; so auch Georges Greiner, Grenzen der Vermögenseinziehung bei Dritten [Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB] - unter Berücksichtigung von zivil- und verfahrensrechtlichen Aspekten, AJP 2005, S.1341 ff., S. 1351) (E. 11.3).
Da steh ich nun, ich armer Thor ...

Keine Waffengleichheit im Strafprozess

Aus einem kürzlich online gestellten Urteil des Bundesgerichts (6S.20/2007 vom 06.03.2007) erhellen schier unerträgliche Unzulänglichkeiten in Strafprozessen.

Der Beschwerdeführer wurde wegen Mordes angeklagt und erstinstanzlich von Schuld und Strafe freigesprochen. Zweitistanzlich wurde zu 17 Jahren Zuchthaus verurteilt. Dagegen hatte er kein ordentliches Rechtsmittel, was als erste Unzulänglichkeit des Strafprozessrechts erscheint. Er ermöglicht Staatsanwälten, die erste Instanz mit möglichst geringem Aufwand durchführen zu lassen und dann erst vor zweiter Instanz, gegen deren Urteil der Beschuldigte kein ordentliches Rechtsmittel mehr hat, alles zu geben.

Mit seiner staatsrechtlichen Beschwerde blieb der Beschwerdeführer weitgehend aus formellen Gründen erfolglos:

Er schildert auf knapp 30 Seiten seiner staatsrechtlichen Beschwerde seine Würdigung der Beweise, die auf eine Täterschaft von D. deuten. Dass aber eine andere Lösung oder Würdigung in Betracht zu ziehen oder gar vorzuziehen wäre, genügt nach ständiger Rechtsprechung nicht zur Begründung von Willkür (E. 3.1).

Mit all diesen Ausführungen und weiteren mehr nimmt der Beschwerdeführer eine eigene Würdigung der sich aus den kantonalen Akten ergebenden Beweisen vor, stellt sie denjenigen des Kantonsgerichts gegenüber und bezeichnet sie als einleuchtender. Damit ist, wie bereits erwähnt, Willkür nicht dargetan. Hinzu kommt, dass er in all seinen Ausführungen die Auffassung des Kantonsgerichts nicht einmal als willkürlich bezeichnet (E. 3.3).

Eine weitere grobe Unzulänglichkeit besteht in der faktischen Verkürzung der Verteidigungsrechte, indem der Aufwand der Verteidigung oft nur teilweise entschädigt wird. Der amtliche Verteidiger rügte auch die Festsetzung seines Honorars, erfüllte aber auch in diesem Punkt die qualifizierten Begründungspflichten nicht. Erwähnenswert erscheint mir, was die Vorinstanz zu den Kosten ausführte:

Das Kantonsgericht führt aus, gestützt auf die Honoraransätze der Honorarordnung könne ein grosser Straffall praxisgemäss in rund 50 Stunden abgewickelt werden (vgl. Art. 21 HonO/SG). Gehe man für den vorliegenden, besonders aufwändigen und grossen Fall (bei dem mit besonderer Sorgfalt zahlreiche Indizien und Aussagen hätten geprüft und gewürdigt werden müssen) mit einem fremdsprachigen Angeklagten von einem stark erhöhten Aufwand des amtlichen Verteidigers von 120 Stunden aus, ergebe sich bei einem Stundenansatz von Fr. 180.-- ein Pauschalhonorar von Fr. 22'000.-- (nebst Barauslagen und 7,6 % MwSt). Für die amtliche Verteidigung im Berufungsverfahren rechtfertige sich ein Pauschalhonorar von Fr. 7'000.-- (E. 4.2).
Leider geht aus dem Entscheid nicht hervor, wie viele Stunden der Verteidiger geltend gemacht hatte. Ich wage einfach mal aufgrund eigener Erfahrung zu behaupten, dass sich ein Verteidiger, der in einem solchen Fall für zwei Instanzen nur die zugestandenen 160 Stunden aufwendet, normalerweise am Rande der Sorgfaltspflichtverletzung bewegt. Vergleicht man den Fall mit demjenigen aus meinem letzten Beitrag, wo in einer Bagatellstrafsache CHF 20,000.00 zugesprochen wurden, zeigt sich die Kostenwillkür der Gerichte, die - ausser beim Bundesstrafgericht - immer nur die Verteidigung treffen. Staatsanwälte müssen ihren Aufwand nicht offenlegen.

Mit Nichtigkeitsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer die Strafzumessung, scheiterte aber letztlich ebenfalls an der unzureichenden Begründung.

Ganz offensichtlich war auch dem Bundesgericht nicht ganz wohl bei der Sache. Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, dass es die unentgeltliche Rechtspflege auch für die völlig ungenügende staatsrechtliche Beschwerde bewilligt und den Verteidiger mit immerhin CHF 3,000.00 entschädigt hat. Das ist zwar mit Sicherheit deutlich unter dem geleisteten Aufwand, aber um solche Details muss sich das Bundesgericht als letzte Instanz ja nicht kümmern.

Unfair oder nicht, der Beschwerdeführer hat seine 17 Jahre abzusitzen. Wie es ihm im Fall einer allfälligen Revision ergehen könnte, kann er sich an einem gleichentags im Internet publizierten Urteil des Bundesgerichts (6S.566/2006 vom 02.03.2007) vergegenwärtigen.

Donnerstag, April 05, 2007

Unnötig, dafür umso teurer

Zwei online gestellte Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichts erwecken den Eindruck, dass sich die Bundesstrafverfolgungsbehörden verzweifelt an jedes Strafdossier, das in ihre Zuständigkeit fallen könnte, klammern. Dies erweckt erhebliche Zweifel an der immer wieder beklagten Überlastung von Bundesanwaltschaft und eidg. Untersuchungsrichteramt. Interessant an beiden Fällen sind höchstens die Erwägungen des Bundesstrafgerichts zu den Kosten:
Insbesondere der für das Eidg. Untersuchungsrichteramt verlangte Ersatz erscheint in Anbetracht des geringen Aufwands unverhältnismässig. Es hätte zudem die Möglichkeit bestanden, das Verfahren in einem frühen Stadium an den Kanton Glarus abzutreten und es so mit einem Strafbefehl und erheblich geringerem Aufwand zu erledigen. Dass die Bundesanwaltschaft von dieser Delegationsmöglichkeit nicht Gebrauch gemacht hat, ist nicht zu beanstanden; dieser Umstand ist vom Angeklagten jedoch nicht zu vertreten und darf sich daher nicht zu dessen Nachteil auswirken.(Urteil SK.2006.13 vom 22.11.2006, E. 6.2, Hervorhebung durch mich).
In einem Parallelfall (SK.2006.16) betrugen die (reduzierten) Gerichtskosten rund CHF 30,000.00 und das (reduzierte) Honorar der amtlichen Verteidigerin CHF 20,000.00.Der Kanton Glarus hätte dies sicher günstiger erledigt. Wahrscheinlich hätte er auch keine merkwürdigen Unterkunfts- und Verpflegungskosten geltend machen müssen:
Die von der Bundeskriminalpolizei geltend gemachten Auslagen setzen sich aus Unterkunfts- und Verpflegungskosten bei Amtshandlungen zusammen (...). Unterkunfts- und Verpflegungskosten bei Ermittlungen innerhalb der Landesgrenzen sind in den Gebühren enthalten und können nicht als Auslagen separat geltend gemacht werden, weshalb sie nicht unter diesem Titel entschädigungsfähig sind. Im Übrigen sind sie vorliegend auch nicht belegt. (SK.2006.16 vom 04.12.2006, E. 7.3)

Mittwoch, April 04, 2007

Unverständliche Strafschärfungspraxis

Wer die Bilanz einer Konzerngesellschaft beschönigt, indem er eine Verpflichtung nicht ausweist, begeht eine Falschbeurkundung. Wer dann diesen "Fehler" in der konsolidierten Konzernrechnung konsequenterweise weiterführt, also auch die Konzernrechnung fälscht, begeht eine zweite Falschbeurkundung. Bei der Strafzumessung führt dies nach der Praxis des Bundesgerichts zu einer Strafschärfung im Sinne von Art. 68 Ziff. 1 aStGB. Daran hielt der Kassationshof auch in einem heute online gestellten Entscheid fest (Urteil 6S.558/2006 vom 21.03.2007). Aus den Erwägungen:
Es trifft zwar zu, dass beide Unterlassungen der Verbuchung miteinander in engem Zusammenhang stehen. Das schliesst aber die Annahme mehrfacher Tatbegehung nicht aus. Die Annahme einer die Anwendung von Art. 68 Ziff. 1 StGB ausschliessenden natürlichen Handlungseinheit kommt nur in Betracht, wenn das gesamte Tätigwerden des Täters auf einem einheitlichen Willensakt beruht und kraft eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs der Einzelakte bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv als ein einheitliches, zusammengehörendes Geschehen erscheint (...). Dass die mehreren verübten strafbaren Handlungen auf ein und denselben Willensentschluss zurückgehen, genügt für die Annahme einer Handlungseinheit nicht (BGE 94 IV 65 E. 2b, S. 67). (E. 5.3.1).

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers lässt sich die Nichtausweisung der Eventualverpflichtung in der Jahresrechnung der A. Finanz AG auch nicht als mitbestrafte Vortat zur selben Unterlassung in der Konzernrechnung auffassen. Zwar nimmt die Lehre unechte Konkurrenz in Form der sogenannten straflosen bzw. mitbestraften Vortat respektive Nachtat an, wenn mehrere Straftaten so miteinander in Zusammenhang stehen, dass die eine nur als Vorstufe des eigentlichen Angriffs auf das geschützte Rechtsgut oder nur als Ausnützen des durch die andere Straftat Erreichten erscheint (BGE 119 IV 154 E. 4a/aa; ...). Doch lehnt das Bundesgericht die Lehre weitgehend ab bzw. wendet sie nur mit Zurückhaltung an (BGE 119 IV 154 E. 4a/aa, S. 161; 122 IV 211 E. 4). Anerkannt hat es sie lediglich beim nachträglichen Gebrauch einer gefälschten bzw. erschlichenen falschen Urkunde durch den selben Täter (vgl. BGE 122 IV122 E.5c/cc, 100 IV 238 E. 5; Urteil des Kassationshofs 6S.147/2003 vom 30.4.2005 E.1.2.2). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Die Unterlassung der Verbuchung in der Jahresrechnung der A. Finanz AG per 1992 erscheint auch nicht bloss als notwendiges Vorstadium für den mit der zweiten Unterlassung beabsichtigten Vorteil. Vielmehr kommt beiden Unterlassungen für die beabsichtigte unzulässige Bilanzverschönerung die gleiche Bedeutung zu. Es liegt hier in der Sache gleich wie bei der öffentlichen Beurkundung einer Scheinliberierung bzw. einer schwindelhaften Kapitalerhöhung und der nachfolgenden Erschleichung eines falschen Handelsregistereintrags (vgl. BGE 101 IV 60; Urteil des Kassationshofs 6P.34/2002 vom 20.9.2002 E. 8. in: SJZ 2003, S. 184 Nr. 7; vgl. auch BGE 107IV 128 E. 3b). (E. 5.3.2)
Mich überzeugt nicht, wieso hier eine Strafschärfung am Platz sein soll. Ist die Schuld und damit die schuldangemessene Strafe wirklich höher, wenn der Täter den unausweichlichen zweiten Schritt auch noch tut?

Im vorliegenden Fall waren die Bilanzen objektiv übrigens gar nicht beschönigt, was der Beschwerdeführer aber glaubte. Die in beiden Bilanzen nicht ausgewiesene Eventualverpflichtung stellte sich als nicht rechtsgültig heraus.

BWIS II: Auftrag zur Ausarbeitung der Botschaft

Nachdem der Bundesrat die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zur Kenntnis genommen hat, hat er das EJPD mit der Ausarbeitung der Botschaft beauftragt. Den vielen und durchaus gewichtigen Bedenken soll gemäss Pressemitteilung dadurch Rechnung getragen werden, dass die Anliegen besser begründet werden.
Der Bundesrat hat angesichts der grossen Bedeutung für die Sicherheit des Landes nun das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) beauftragt, eine Botschaft auszuarbeiten. Dabei soll vor allem die Notwendigkeit der Vorlage noch einmal ausführlich begründet werden.
Soll heissen: Die Kritiker haben wahrscheinlich einfach (noch) nicht begriffen, worum es geht. Zu den Vernehmlassern, welche die Vorlage vollumfänglich zurückweisen zählen:
  • SP Schweiz
  • SVP
  • GPS
  • Schweizerischer Gewerkschaftsbund
  • Amnesty International
  • Demokratische Juristinnen und Juristen
  • GSoA
  • Schweizerischer Anwaltsverband
  • Big Brother Awards
  • Solothurnischer Anwaltsverband
  • Rat für Persönlichkeitsschutz
  • Schweizerische Datenschutzbeauftragte
Die m.E. aufregendste Stellungnahme hat Swiss Banking eingereicht:
Swiss Banking hat Verständnis für die Erweiterung des Instrumentariums. Die Informationsbeschaffungsmassnahmen seien massvoll und ausgewogen, begrüsst würden aber ausdrücklich auch die Genehmigungs- und Überprüfungsmechanismen.
Die werden sich bestimmt noch wundern.

Dienstag, April 03, 2007

Von den Tücken der eMail-Überwachung

Der Kanton Zürich muss Sunrise für eine eMail-Überwachung mit rund CHF 17,000.00 entschädigen. Dies geht aus einem neuen Urteil des Bundesgerichts (1A.255/2006 vom 20.03.2007) hervor, aus dem auch mögliche Tücken einer eMail-Überwachung hervorgehen. Offenbar war es Sunrise erst nach 17 Monaten möglich, die Überwachungsanordnung zu vollziehen. Dies war darauf zurückzuführen, dass Sunrise nur Access Provider war, als Service Provider aber ein Kunde von Sunrise agierte. Damit stellt sich die Frage, wieso die Überwachung nicht wie üblich beim Service Provider angeordnet wurde. Der Grund geht aus dem Entscheid hervor:
Gemäss dem angefochtenen Entscheid ist Sunrise nicht Betreiberin des Mailservers, sondern stellt einer anderen Gesellschaft die Zuleitung ins Internet (statische IP-Adresse und fest geschaltete Mietleitung) zur Verfügung. Diese Gesellschaft (im Folgenden: Sunrise-Kundin) betreibt die zu überwachende Mailbox. Gewöhnlich wäre die E-mail-Überwachung bei der Sunrise-Kundin (Service Provider) und nicht bei Sunrise (hier: Access Provider) durchzuführen. Dies sei im vorliegenden Fall wegen Kollusionsgefahr im Verhältnis zwischen der Sunrise-Kundin und der zu überwachenden Person nicht möglich gewesen. Man habe auf die Mietleitung physisch zugreifen, den laufenden Datenverkehr mit einem "Konverter" umwandeln und mit einem weiteren Gerät lesbar machen müssen (...). Damit steht fest, dass der Kanton Zürich eine von der Normallösung (Überwachung beim Service Provider) abweichende Massnahme (Überwachung beim Access Provider) anordnete. Die Beteiligten haben Versuche unternommen, bis sie die Überwachung rund 17 Monate nach der ersten Anordnung durchführen konnten (E. 3.3).

Montag, April 02, 2007

Beschwerde der Bundesanwaltschaft zurückgewiesen

Das Bundesgericht tritt in einem zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheid (1B_25/2007 vom 15.03.2007) nicht auf eine Beschwerde der Bundesanwaltschaft ein. Sie wollte sich gegen einen Entscheid des Präsidenten der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts beschweren, der eine von ihr angeordnete Telefonüberwachung nicht genehmigt hatte. Damit steht im Bundesstrafprozess fest, dass der Präsident der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts endgültig entscheidet.

Eine Kurzzusammenfassung findet sich in der NZZ.

Der Entscheid ist insofern erfreulich, als damit auch feststeht, dass nicht jede Überwachungsanordnung der Bundesanwaltschaft genehmigt wird.